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Artikel von: Sven Günther
18.09.2021

Schüler nerven Ulrike Harzer (FDP)

Ulrike Harzer, Direktkandidatin der FDP im Wahlkreis 164 (Erzgebrige) und auf Platz vier der Landesliste. Foto: privat

Klartext, Frau Harzer

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten meine E-Mail:

Hier antwortet Ulrike Harzer, Direktkandidatin der FDP im Wahlkreis 164 (Erzgebrige) und auf Platz vier der Landesliste

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Das Erzgebirge ist die grüne Lunge Sachsens. Die FDP will mehr Aufforstungen und den Schutz bestehender Wälder. Wertvolle Waldökosysteme und Moore müssen erhalten bleiben, denn Wälder und Moore sind Hüter von Biodiversität und Kohlenstoffspeicher. Neben Emissionsminderungen sind Aufforstungen und die Wiedervernässung von Mooren zurzeit ein verfügbares und bezahlbares Mittel, um den Wettlauf gegen die Erwärmung des Planeten zu gewinnen
Die Stärkung des Wirtschaftsraumes. Die FDP will für kleine und mittlere Unternehmen Perspektiven schaffen. Wir brauchen eine flächendeckend zukunftstaugliche digitale Infrastruktur, leistungsfähige Verkehrswege und ein starkes duales Bildungssystem. Abwanderung, Deshalb brauchen wir moderne Ansätze insbesondere auch in den ländlichen Regionen.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Ich glaube nicht, dass für Schüler per se Politik uninteressant ist. Aus meinen persönlichen Erfahrungen (bspw. die, mit meinen drei Kindern) heraus, sind es eher die vorherrschenden Strukturen, die uninteressant sind. Sich innerhalb von Parteien zu engagieren, sich in deren Gegebenheiten und Abläufe zu integrieren und sich innerhalb dieses Systems einzubringen und konkrete Ergebnisse zu erzielen, das ist ein längerer Prozess. Im Engagement für konkrete Projekte oder im Mitwirken in Vereinen sind Ergebnisse eher sichtbar und damit auch interessanter.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Ich kandidiere das erste Mal und bin bisher keine Abgeordnete gewesen. Deshalb habe ich persönlich dies nicht zugelassen. Es ist jedoch richtig, dass Deutschland zu wenig in Bildung investiert. Deshalb setzen wir Freie Demokraten uns dafür ein, dass ein Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen zusätzlich in die Bildung investiert werden soll. Das bedeutet zusätzliche 2,5 Milliarden Euro für die Bildung. Die Autonomität der Schulen muss gestärkt werden, eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse und modernste Bildungsstandards. Dies setzt auch beste Lehrkräfte voraus, für deren exzellente Ausbildung wir Mindeststandards bundesweit fordern.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Dies Frage möchte ich mit zweimal Nein beantworten.

Als Abgeordneter sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Nein

 

Sie fordern eine Rückkehr zur Marktwirtschaft, eine Entflechtung von Markt- und Staatswirtschaft. Wie wollen Sie das schaffen? Heute wird doch nur noch investiert, wenn Fördermittel fließen. Tesla baut in Deutschland, weil das US-Unternehmen einem Milliardenbetrag an Steuermitteln bekommt…

Ihre Frage zielt auf die Großunternehmen ab. In Deutschland, Sachsen und ganz speziell im Erzgebirge besteht die Wirtschaft jedoch aus mittelständischen Unternehmen, Kleinbetrieben, dem Handwerk, Handel uvm. Genau diese Unternehmen arbeiten mehrheitlich ohne Fördermittel, zahlen ihre Steuern hier und engagieren sich gesellschaftlich vor Ort. Diese Unternehmen bilden das Rückgrat unserer Gesellschaft und diese wollen wir stärken. Wir Freie Demokraten fordern deshalb Maßnahmen zur Büokratieentlastung der Unternehmen, die Senkung der Abgabenquote für Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter 40 Prozent, die Senkung der Unternehmenssteuerlast,
Förderung von Wissenschaft und Forschung und ein starkes duales Bildungssystem.

Die FDP könnte das Zünglein an der Waage werden. Springen Sie mit jedem ins Bett, wenn es darum geht, in die Regierung zu kommen?

Natürlich nicht. Wir werden innerhalb des demokratischen Spektrums prüfen, mit welchem Partner wir die meisten inhaltlichen Übereinstimmungen haben und das ist das Wichtigste, diese auch umsetzen können.

Sie fordern zentrale Abschlussprüfungen und digitale Schulen? Möchten Sie den Bildungs-Föderalismus abschaffen?

Wir Freie Demokraten fordern bundesweite Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife und das Abitur sowie qualitativ hochwertige Bildungsstandards. Wir brauchen mehr Innovationen und Qualitätssicherung durch Vergleichbarkeit. Wir fordern eine Reform des Bildungsföderalismus und eine Grundgesetzänderung, damit Bund und Länder zusammen für die Sicherstellung der Qualität, die Leistungsfähigkeit und die Weiterentwicklung des Bildungswesens wirken können. Wir leisten uns 16 verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, stellen aber nicht sicher, dass die Schulbildung deutschlandweit die höchste Qualität hat. Wir wollen zukunftssichere Schulen, in denen die besten Arbeitsmöglichkeiten fürs Lehren und Lernen zur Verfügung stehen.

Wie alle anderen Parteien auch fordert die FDP den Abbau der Bürokratie. Eine Forderung, die es seit Jahren und Jahrzehnten gibt. Bislang ist noch jeder an den Mühlen der Bürokratie gescheitert, jeder Reformversuch verursachte noch mehr Bürokratie. Warum sollte es Ihnen dieses Unterfangen jetzt plötzlich gelingen?

Es ist richtig, dass der Bürokratieabbau eine zentrale Forderung der Freien Demokraten in bzw. für jedem/n Bereich unserer Gesellschaft ist. Einfluss auf Änderungen sind generell nur möglich, wenn man in Regierungsverantwortung steht. Wir fordern eine Reform und eine Modernisierung aller Behörden. Ein konkreter Vorschlag zum Beispiel ist das „one in, two out“ Prinzip. Für jede neue Regelung müssen zwei alte gestrichen werden.

Noch so ein Punkt: Wie alle Parteien rufen Sie nach einem hochleistungsfähigem Digitalnetz. Wie alle anderen auch, verraten Sie aber nicht, WIE Sie das schaffen wollen. Oder haben wir etwas überlesen?

Voraussetzung hierfür ist die Schaffung von Tiefbaukapazitäten. Das ist der wichtigste Baustein, um eine digitale Infrastruktur zu schaffen.