Start Niners Chemnitz gewinnen den Europapokal
Artikel von: Judith Hauße
24.04.2024

Niners Chemnitz gewinnen den Europapokal

Heimspiel-Atmosphäre beim Public Viewing in der Messe Chemnitz. Fotos: JSpictures.de – Jan Stimpel

Chemnitzer Basketballer holen ersten internationalen Titel der Vereinsgeschichte

Die Herzen tausender Fans pochten im Sekundentakt. Alles steht, bangt und hofft. Niemanden hielt es mehr auf ihren Sitzen. „Gott, meine Nerven“, schallt es aus der Menge. „Reicht der Abstand?“, fragt ein anderer. Während in der Türkei die letzten Sekunden der Verlängerung im Finalrückspiel der Niners Chemnitz bei Bahcesehir College Istanbul angebrochen waren, lagen die Nerven der rund 2.000 Fans beim Public Viewing in der Messe Chemnitz bereits blank. Beim Spielstand von 105:95 bekamen die Chemnitzer den letzten Angriff. Diesen konnten sie jedoch nicht erfolgreich verwerten, der Ball ging an Bahcesehir. Doch auch die ließen ihre Chance ungenutzt, in dem der letzte alles entscheidende Dreier daneben ging. Chemnitz sicherte sich den Rebound. Schluss. Aus. Ende. In der Messe und auf dem Spielfeld in der Ülker Sports Arena gab es kein Halten mehr von den Chemnitzern. Mit einem Punkt Vorsprung schaffte die Mannschaft von Niners-Headcoach Rodrigo Pastore die Sensation. Sie gewinnen trotz der Niederlage den Europe Cup. Damit wird nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga vor vier Jahren an diesem 24. April 2024 erneut Geschichte im 25-jährigem Vereinsleben geschrieben. Dieser internationale Titel ist für den Chemnitzer Basketball der fehlende gläserne Schuh in einer märchenhaften Vereinsentwicklung. Das sorgte sogar beim sonst eher zurückhaltenden Chemnitzer Oberbürgermeister für einen emotionalen Ausbruch. Dieser lud alle ein, gemeinsam am Sonntag (28. April) die Europe-Cup-Sieger auf dem Markt zu empfangen. Und in der Messe Chemnitz verprach er noch am selben Abend Freibier für alle. In diesem Sinne, Prost!

regionalspiegel-Viertelanalyse


Nachdem Bahcesehir Istanbul die Partie mit Punkten eröffnet, läutet auf der anderen Seite Ousman Krubally (Niners) mit seinen ersten zwei das Spiel für Chemnitz ein (2:2). Beide Mannschaften starten ausgeglichen ins Finale des Fiba Europe Cup. Die Chemnitzer können sich nach einem nun ersten missglückten Abschluss im nächsten Angriff freispielen, Aher Uguak für drei (4:7). Die nächsten zwei werden durch den Korb gebracht (7:9). Die Verteidigung der Niners bleibt bislang hart im Nehmen. Krubally legt nach (7:11). Dieser sorgt in den ersten Minuten für eine gelungenen Auftakt der Chemnitzer. Doch die Türken können sich die Führung zurückholen (14:12), was zeigt, dass Istanbul ebenso energiegeladen in das Spiel startet. Beide liefern sich einen regen Führungswechsel (16:17). Die Offensiv-Rebounds bleiben bei den Chemnitzern jedoch noch ein wenig aus. Dafür lässt sich die defensive der Chemnitzer heute nicht die Butter vom Brot nehmen, denn die zwingt den Gegner bislang zu schweren Abschlüssen, die am Ende dann auch erfolglos für Istanbul bleiben (18:19).

Q2: Niners Chemnitz nervös

Mit einem erneut knappen Führungswechsel geht es in der Anfangsphase des zweiten Viertels weiter (24:25). Nach bereits drei Minuten Spielzeit kratzt Chemnitz an der Teamfoulgrenze. Wie schon im Hinspiel liefern sich beide Mannschaften auch heute in Istanbul eine körperlich intensive Partie (30:27). Für die Chemnitzer beginnt zur Hälfte des Viertel eine eher zähe Phase, in der ihnen die Lösungen ausgehen. Dem Niners-Headcoach Rodrigo Pastore schmeckt das gar nicht, der nimmt die erste Auszeit, auch weil Istanbul nun den Abstand aufgrund zwei erfolgreicher Abschlüsse erhöhen kann (33:27). Die Türken finden bislang besser in ihren Flow, der es den Chemnitzern trotz guter Verteidigung unheimlich schwer macht (40:31). Nach einem erneuten Fehlwurf von Wes van Beck, können die Istanbuler ihren Vorsprung munter ausbauen (42:31). Die Niners müssen nun versuchen, den Spielfluss der Gastgeber zu stoppen (44:31). Es braucht nun smarte Pässe, wie eben der von Uguak auf Richter, der für zwei versenkt (47:34). Mit viel Tempo tritt wenig später DeAndre Lansdowne (Niners) an und kann den Ball durch die Reuse bringen (49:36). Noch eine Minute bis zur Halbzeit, doch Istanbul hat sich inzwischen sehr gut eingeworfen, glänzen mit einer exzellenten Trefferquote (52:36). Für Chemnitz gibt es nach diesem Viertel viel zu besprechen in der Kabine. In der zweiten Hälfte braucht es dringend eine Aufholjagd und mehr als bloß einen erfolgreichen Dreierwurf wie nach diesen zehn Minuten (54:36). Jonas Richter (Niners) kann kurz vor der Pause noch einmal zwei Freiwürfe in Punkte verwandeln. So bleibt es dann auch beim Halbzeitergebnis 55:38.

Q3: Comeback der Niners Chemnitz

Chemnitz kommt gut aus der Pause, startet mit Feuer in die zweite Hälfte (55:41). Kaza Kajami-Keane bricht den Fluch von der Dreierlinie, komplettiert den 8-0-Lauf. Der Antritt für die Aufholjagd ist geglückt. istanbul wirkt kurz überrascht vóm Tempo der Chemnitzer, können sich aber mindestens genauso schnell wieder fangen. Allerdings wirkt bei den Türken nicht mehr alles ganz so flüssig wie noch in der ersten Hälfte. Die Kommunikation untereinander wird ruppiger, was ein Zeichen für Unsicherheit sein kann (61:50). Wes van Beck (Niners) kümmert das nicht (61:53), hat seinen Wurf wiedergefunden. Er – Achtung Wortspiel. – „Wes“ einfach, wie es funktioniert. Und auch der mit zwei Fouls belastete Ousman Krubally (Niners) kommt wieder ins Spiel, trifft unmittelbar nach seinem Teamkollegen (63:55). Chemnitz ist wieder im Spiel angekommen. Istanbul hat nun doch mit dem Offensiv-Feuer der Chemnitzer schwer zu tun. Kevin Yebo (Niners) kämpft sich unter dem Korb durch, verkürzt auf fünf (63:58). Und auch die Chemnitzer Defensive wirkt entschlossener. Nun klappt es auch wieder mit den Offensiv-Rebounds. Sie lässt sich auch vom Flopping-Versuch der Istanbuler nicht beirren.

In den letzten Sekunden des dritten Viertels ist das Comeback der Chemnitzer perfekt. Sie können sich am Ende des Viertels zum Ausgleich durchringen (67:67). Die Karten sind nun wieder neu gemischt und alles ist wieder auf Europapokal-Kurs gesetzt.

Q4: Auf Pokalkurs

Chemnitz ist wieder komplett im Spiel angekommen, als hätte es die erste Halbzeit nicht gegeben (69:71). Die Niners Chemnitz bleiben knapp in Führung (70:73). Sechs Minuten ist der Europapokal noch entfernt. Für Chemnitz gilt nun, die Führung zu verteidigen (72:73). Istanbul bleibt allerdings trotz ablassender Energie heute im Wurfglück, kann sich den Vorsprung wieder sichern (78:75). Nach einem herben Ballverlust der Chemnitzer, nach dem sich die Istanbuler dann auch einen 5-Punkte-Abstand erarbeiten kann, kann Wes van Beck (Niners) diesen wieder wett machen (80:78).

Bahcesehir sorgt allerdings in den letzten drei Minuten noch einmal für offensive Spitzen (83:78). Chemnitz kontert wiederum mit einem Fast Break, Ongwae (Niners) offen am Brett, bringt den Ball sicher unter (83:80). Trotz offensiv erfolgreicher Abschlüsse der Türken, haben die Chemnitzer bislang immer eine Antwort (86:82). Noch anderthalb Minuten zu spielen, Istanbul bleibt eiskalt (89:84).

Die letzte Minute ist angebrochen. Istanbul schüttelt noch einmal alle offensiven Asse aus (93:84). Und auch der letzte Angriff der Instabuler geht rein (95:84). Chemnitz braucht die Punkte. Do or die! Sieben Sekunden zu gehen. Chemnitz kann den Ball nicht unterbringen. Es gibt Overtime.

Drei Center sind bei den Chemnitzern ausgefoult (Krubally, Richter, Yebo), was das Ganze nicht einfacher macht (95:86). Und auch die Würfe der Chemitzer wollen nicht mehr reingehen. Das muntere Dreipunktspiel von Istanbul und Chemnitz lässt die Spannungskurve weiter am Anschlag (102:91). Istanbul verwirft. Chemnitz hat wieder den Ball (103:93). Kajami-Keane (Niners) bekommt nach einem Foul gegen Istanbul zwei Freiwürfe, trifft beide (103:95). Noch 30 Sekunden zu spielen, Chemnitz mit dem Angriff, dieser bleibt erfolglos. Letzter Ball für Istanbul, den können die Türken ebenso nicht verwerten. Es bleibt beim Endstand 105:95 für Istanbul. Kurz durchgerechnet! Reicht! Chemnitz gewinnt trotz Niederlage aufgrund des 10-Punkte-Abstands den Fiba Europe Cup.