Start Sondervermögen im Fokus: Wo könnten die Milliarden in Sachsen eingesetzt werden?
Artikel von: Sebastian Hoffmann
24.04.2025

Sondervermögen im Fokus: Wo könnten die Milliarden in Sachsen eingesetzt werden?

Bundestag im Reichstagsgebäude
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In Sachsens Städten klappern die Fenster in Schulgebäuden, die vor vierzig Jahren schon eine Sanierung nötig gehabt hätten. In manchen Dörfern endet das Mobilfunknetz direkt hinter dem Ortsschild. Und auf vielen Straßen fühlt sich die Gegenwart verdammt nach gestern an. Während die Herausforderungen wachsen, bleibt das Geld knapp.

Oder besser gesagt: blieb. Denn jetzt rollt eine Finanzlawine an, die all das ändern könnte. Fünf Milliarden Euro Sondervermögen. Für Sachsen. Verteilt über zwölf Jahre. Nicht schlecht für ein Bundesland, das lange mit Haushaltsdisziplin glänzte, aber genau deshalb vieles aufschieben musste.

Was das Sondervermögen eigentlich ist – und warum es jetzt so dringend gebraucht wird

Der Begriff klingt trocken, fast sperrig. Doch hinter dem Wort „Sondervermögen“ steckt ein politisches Schwergewicht. Ein Geldtopf, gefüllt mit 500 Milliarden Euro, bereitgestellt vom Bund, um Deutschlands Modernisierung endlich vom Reden ins Tun zu holen. Und anders als in der Vergangenheit, ist diesmal nicht jeder auf sich allein gestellt. Denn jedes Bundesland soll profitieren, so auch Sachsen.

Der Bedarf ist enorm. Jahrzehnte langes Sparen hat sichtbare Spuren hinterlassen. Marode öffentliche Gebäude, unterversorgte Krankenhäuser, kaputte Straßen, einsturzgefährdete Brücken. Was fehlt, sind nicht Ideen oder Konzepte, sondern schlichtweg die finanziellen Mittel. Das Sondervermögen kommt also nicht zu früh, sondern gerade noch rechtzeitig.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die marode Brücke in Bad Schandau, die für sehr viel Ärger und Frust bei den Einwohnern sorgt, wie im Video zu sehen ist:

Fünf Milliarden für Sachsen: Welche Summen realistisch fließen und über welchen Zeitraum

Ab dem Jahr 2026 sollen jährlich rund 415 Millionen Euro nach Sachsen fließen. Zwölf Jahre lang. Zusammen ergibt das eine Summe, mit der sich mehr als nur Straßen ausbessern lassen. Das Geld soll in einen eigens eingerichteten Sachsenfonds fließen. Kein Fass ohne Boden, sondern ein gesteuerter Topf mit klarer Zweckbindung: investieren, modernisieren, stabilisieren. Der Vorteil liegt auf der Hand. Projekte, die sonst an Finanzierungslücken scheitern würden, bekommen endlich eine Perspektive.

Doch so klar die Zahlen klingen, so heikel ist ihre Umsetzung. Denn fünf Milliarden können viel bewirken oder auch wenig, wenn sie in kleinen Vorhaben versickern. Nur wenn Kommunen und Landespolitik gemeinsam priorisieren, entsteht daraus ein Hebel, der das Land wirklich nach vorne bringen kann. Das Flickwerk hat die letzten Jahrzehnte geprägt. Jetzt geht es um langfristige Wirkung.

Digitale Infrastruktur als Schlüssel – und warum auch der Bereich Freizeitgestaltung davon profitiert

Glasfaserleitungen unter der Erde bringen keinen öffentlichen Applaus. Aber sie sind die Voraussetzung dafür, dass ein Land nicht digital abgehängt wird. Gerade in Sachsen, wo große Teile der Bevölkerung im ländlichen Raum leben, wird der Anschluss an schnelle Netze zum entscheidenden Kriterium. Denn ohne stabile Verbindung, kein digitales Klassenzimmer, keine moderne Verwaltung, keine zukunftsfähige Wirtschaft.Und auch der Blick in den Alltag zeigt, wie tiefgreifend sich Lebensgewohnheiten verschieben. Freizeit, einst analog, findet heute immer öfter online statt. Streaming, Gaming, Social Media – was früher als Zeitvertreib belächelt wurde, ist längst Teil der digitalen Realität. Auch das Spielverhalten hat sich verändert. Wer beispielsweise Book of Ra kostenlos spielen möchte, braucht keine Spielhalle mehr, sondern eine stabile Internetverbindung. So sieht es auch beim Streaming, bei Online-Business Meetings oder digitalen Fortbildungen aus.

Digitale Infrastruktur bedeutet deshalb mehr als nur Bandbreite. Sie verlangt eine Gesamtstrategie. Eine, die Technik mit Pädagogik verbindet. Die Serverräume modernisiert und gleichzeitig dafür sorgt, dass Inhalte sinnvoll genutzt werden können. Medienbildung gehört längst nicht mehr nur ins Wahlprogramm, sondern in jeden Haushalt, um die Zukunft mitgestalten zu können.

Großbaustelle Bildung: Wo der Investitionsdruck am stärksten ist

Es ist kein Geheimnis, dass die Schulen in Sachsen an vielen Stellen mehr Improvisation als Infrastruktur bieten. Die Liste der Mängel ist lang. Und sie reicht von bröckelnden Fassaden über defekte Heizsysteme bis hin zu fehlenden Internetanschlüssen. Doch mit einer neuen Tafel ist es nicht getan. Bildungseinrichtungen brauchen kein Facelift, sondern eine Generalüberholung. Außerdem fehlen aktuell in Sachsen 1.400 Lehrkräfte in Vollzeit.

Die Herausforderungen beginnen früh. In Kitas fehlt es an Platz, Personal und häufig auch an einem Plan, wie mit steigenden Anforderungen umgegangen werden soll. Und später, in der Schule, geht das tägliche Improvisieren oft nahtlos weiter. Kreide statt Whiteboard, Zettelwirtschaft statt Lernplattform. Dass Lehrkräfte immer wieder selbst für digitale Hilfsmittel sorgen müssen, ist in Chemnitz, Dresden, Leipzig und anderswo keine Ausnahme, sondern Alltag.

Ein Investitionsprogramm ohne Bildungsschwerpunkt wäre deshalb ein Blindflug. Und dieser Schwerpunkt muss breit gedacht werden: Gebäude, Technik, Ausstattung, Fortbildung – alles gehört zusammen. Auch die Hochschulen dürfen nicht vergessen werden. Moderne Forschung braucht moderne Bedingungen. Wenn das Labor oder die technische Einrichtung aussehen wie aus dem vorletzten Jahrzehnt, fördert das weder die Wissenschaft noch die Region.

Nachhaltige Infrastruktur braucht mehr als gute Absichten

Radweg
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Eine Straße neu zu asphaltieren, ist schnell gemacht. Sie so zu gestalten, dass sie Teil einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie wird, ist deutlich anspruchsvoller. Doch genau hier liegt die Aufgabe. Das Sondervermögen bietet die Chance, Verkehrsplanung nicht nur als Instandhaltung zu denken, sondern als Transformationsprojekt. Bus- und Bahnverbindungen müssen ausgebaut, Radwege systematisch verknüpft und Ladeinfrastruktur geschaffen werden.

Dazu kommt der Energiesektor. Kommunale Gebäude können mit Photovoltaik ausgestattet werden, wie es beispielsweise bereits in Hamburg umgesetzt wird. Wärmenetze lassen sich modernisieren. Und in Regionen wie der Lausitz eröffnen sich Möglichkeiten, die über Klimaschutz hinausgehen. Wer heute auf grüne Infrastruktur setzt, schafft auch morgen Jobs – wenn die richtigen Weichen gestellt werden.

Sachsen kann dabei Vorreiter sein oder Zuschauer bleiben. Das Sondervermögen legt den Ball auf den Elfmeterpunkt. Ob getroffen wird, hängt nun von der Umsetzung ab.

Gesundheitssystem am Limit

Zwischen den Ambulanzen röhren alte Beatmungsgeräte, in den Fluren fehlt Personal und auf dem Land fährt der Rettungswagen oft eine halbe Stunde länger als in den Ballungszentren. Das Gesundheitssystem in Sachsen steht massiv unter Druck. Nicht erst seit gestern, aber mittlerweile mit einer Wucht, die selbst hartgesottene Klinikleiter nervös macht. Die Mittel aus dem Sondervermögen bieten nun die Gelegenheit, ein System zu stärken, das im Kern zwar leistungsfähig ist, aber an zu vielen Stellen bröckelt.

Es geht um mehr als neue Gebäude. Auch wenn viele Kliniken dringend eine bauliche Instandsetzung nötig hätten, ist der Modernisierungsbedarf struktureller. Technik, Digitalisierung, Fachkräftesicherung, das alles hängt miteinander zusammen. Digitale Patientenakten sind keine Spielerei, sondern Basis für effiziente Abläufe. Telemedizin kann Versorgungslücken schließen, gerade dort, wo der nächste Facharzt mehr als 50 Kilometer entfernt ist.

Doch Digitalisierung allein heilt niemanden. Es braucht Personal. Und das bleibt ein Nadelöhr. Pflegekräfte sind überlastet, Hausärzte rar. Wenn das Sondervermögen wirklich Wirkung zeigen soll, muss es auch in Ausbildungskapazitäten und Standortattraktivität fließen. Ein moderner Arbeitsplatz allein reicht nicht. Es braucht auch attraktive Rahmenbedingungen, die Fachkräfte halten oder zurückholen.

Warum Sachsen zusätzliche Schulden in Betracht zieht

Fünf Milliarden Euro klingen erst einmal wie ein Geschenk. Doch wer einen Blick in den Doppelhaushalt 2025/26 wirft, erkennt schnell: Es reicht hinten und vorne nicht. Über vier Milliarden Euro klaffen dort als Lücke. Ursachen gibt es viele. Steigende Tarifkosten. Preisexplosionen in der Baubranche. Und ein strukturelles Ungleichgewicht, das sich seit Jahren aufgebaut hat.

Das Problem: Sachsen ist durch seine eigene Verfassung an eine Schuldenbremse gebunden. Kredite darf das Land nur in absoluten Ausnahmefällen aufnehmen. Eine Lockerung? Nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Politisch ein Drahtseilakt. Die einen pochen auf Generationengerechtigkeit, die anderen auf Handlungsfähigkeit. Zwischen diesen Polen steht die Realität. Und die verlangt nach Lösungen, nicht nach Symbolpolitik.

Denn eines ist klar: Ohne Spielräume werden selbst die Mittel aus Berlin zur Herausforderung. Wer jedes Vorhaben mit Eigenmitteln flankieren muss, aber keine hat, bleibt auf halber Strecke stehen. Der eigens eingerichtete Sachsenfonds ist eine sinnvolle Konstruktion, doch auch er kann nur das verteilen, was vorher bereitgestellt wurde. Ohne finanzielle Flexibilität droht ein System, das ambitionierte Programme verspricht, aber kaum Projekte realisiert.

Wo Gelder versickern könnten – und wie Transparenz bei der Mittelvergabe helfen kann

Viel Geld bedeutet viele Chancen, aber auch sehr viele Risiken. Denn in dem Moment, in dem Mittel freigegeben werden, beginnt das Tauziehen: Welche Kommune bekommt was? Wer entscheidet über die Projekte? Und wie wird verhindert, dass gut gemeinte Investitionen am Ende auf schlecht geplanten Baustellen versanden?

In der Vergangenheit zeigte sich immer wieder, wie Förderprogramme an ihrer eigenen Komplexität scheitern. Antragsformulare, die juristischen Gutachten gleichen. Bewilligungsverfahren, die Monate dauern. Kommunen, die schlicht keine Kapazitäten haben, sich durch die Paragrafen zu kämpfen. Genau das muss diesmal anders laufen.

Der Sachsenfonds ist ein erster Schritt in Richtung Steuerung. Doch Transparenz darf nicht beim Verwalten enden. Ein digitales Monitoring, öffentliche Projektlisten, klare Kriterien – all das schafft Vertrauen. Und entlastet gleichzeitig die Verwaltung, weil Diskussionen nicht mehr im Nebel geführt werden müssen. Ostdeutsche Städte fordern längst feste Budgets, mit denen sie flexibel arbeiten können. Eine Idee, die nicht nur praktikabel ist, sondern auch das Prinzip Gleichwertigkeit stärkt. Denn wer selbst entscheiden kann, investiert oft schneller und vor allem gezielter.

Große Summen, großer Anspruch aber auch großer Nachholbedarf

Es gibt Geld. Es gibt Pläne. Es gibt Druck. Was jetzt zählt, ist der Wille zur Umsetzung. Das Sondervermögen ist kein Allheilmittel, aber ein wirkungsvolles Instrument – vorausgesetzt, es wird gezielt und mutig eingesetzt. Sachsen hat die Chance, über Jahrzehnte gewachsene Defizite nicht nur zu überbrücken, sondern grundlegend zu beheben. Der Weg dorthin ist kein leichter, aber ein notwendiger.

Besonders groß ist das Potenzial dort, wo der Sanierungsstau längst in den Alltag eingesickert ist:

  • Schulen und Kitas, in denen bauliche Mängel und fehlende Technik seit Jahren den Bildungsauftrag behindern.
  • Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die ohne moderne Ausstattung und digitale Systeme keine Zukunft haben.
  • Der öffentliche Nahverkehr, der mehr als Flickwerk braucht, um Menschen zuverlässig zu verbinden.
  • Klimaschutzprojekte, die mehr sind als PR-Maßnahmen und echte CO₂-Einsparung ermöglichen.
  • Digitale Infrastruktur, die nicht nur Metropolen, sondern auch ländliche Regionen mit Zukunft versorgen muss.
  • Kommunale Handlungsspielräume, die sich erst dann entfalten können, wenn Verfahren nachvollziehbar und Mittel flexibel einsetzbar sind.

Schon jetzt ist abzusehen: Fünf Milliarden Euro reichen nicht, um alles zu reparieren. Aber sie reichen, um endlich anzufangen. Wer diese Chance jetzt nicht nutzt, wird sie später teuer vermissen. Denn Geld allein verändert wenig. Doch klug investiert, kann es alles ins Rollen bringen, was längst festgefahren scheint.