Artikel von: Judith Hauße
28.06.2024
Windrad-Entwickler wirft Schatten über Dorf im Erzgebirge

Unter Aufsicht von Security: Projektentwickler kommen mit besorgten Bürgern ins Gespräch
Wer am 20. Juni dem Informationsmarkt der Firma Juwi in der Kultur- und Sporthalle im Gornauer Ortsteil Dittmannsdorf beiwohnen wollte, musste zunächst an Security vor und im Gebäude vorbei. Der Windanlagen-Entwickler arbeitet derzeit im Freistaat an rund 50 Windenergieprojekten, dazu gehört auch die Planung von drei Windrädern in der beschaulichen Gemeinde im Erzgebirge.
Dass das Unternehmen seine Infoveranstaltung unter dem Schutz einer Sicherheitsfirma abhält, sei sicherlich mitunter auch dem im Vorfeld aufgekommenen Unmut der Bürger geschuldet. Denn die sagen „NEIN zur Windkraft“, so der Titel einer Petition mit bisher über 1.000 gesammelten Unterschriften gegen die Pläne des Windrad-Entwicklers. Über die anwesende Security schüttelten allerdings viele von ihnen bloß mit dem Kopf beim Betreten der Turnhalle. „Wir sind doch nicht gewalttätig, nur besorgt um unsere Heimat “, sagt einer der betroffenen Anwohner, die zuvor per Bürgerbrief zum Infomarkt eingeladen wurden. Anderen wiederum war der Besuch nicht möglich. So wie Sebastian Fritzsch, der die Petition ins Leben gerufen hat und sich zum Zeitpunkt im Urlaub befand. Mit ihm kam regionalspiegel vorher ins Gespräch. Auch er bekräftigte bereits die Sorgen der Bürger in Dittmannsdorf. „Die geplanten Anlagen könnten erhebliche Auswirkungen auf unsere Umwelt haben und das Landschaftsbild verändern.“

Gesetzliches Schlupfloch hebelt Verbot aus
Vor allem die Wanderregion rund um den Spitzberg, dort, wo zwischen dem Chemnitzer Ortsteils Kleinolbersdorf/Altenhain und Dittmannsdorf die Windräder künftig stehen sollen, sei gefährdet, wie er betont. Dass er, wie auch viele seiner Mitstreiter nicht dabei waren, sei schade gewesen, meint auch Janine Göhring, Projektleiterin bei Juwi. Gemeinsam mit einem Expertenteam ist sie an diesem Donnerstag nach Dittmannsdorf gekommen, um auf Fragen der Bewohner einzugehen. „Wir können die Sorgen und Ängste der Dorfbewohner verstehen, möchten sie deshalb so zeitig wie möglich über das Projekt aufklären, weil wir gemerkt haben, dass das Schreiben der Bürgerinitiative zwar bereits viele Informationen beinhaltet, aber nicht in dem Umfang wie wir es aufgrund unserer aktuellen Studien den Bürgern mitgeben können.“ Sie verweist auf die schematischen Darstellungen und Erklärungen, die mittels Aufsteller in der Turnhalle zu sehen sind. Beispielsweise auch, dass die Region zwar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, was ein Verbot derartiger Anlagen bedeuten würde, wäre da nicht Paragraf 26 zu Erneuerbaren Energien im Bundesnaturschutzgesetz, der in dem Fall eine Ausnahme macht, wie Göhring erklärt. „Wenn der Plangeber, in dem Fall die Regionalplanung Chemnitz, nicht die per Gesetz festgeschriebenen zwei Prozent der Fläche für Windkraftanlagen ausgewiesen hat, ist die Errichtung und der Betrieb von WEA trotz bestehenden Landschaftsschutzgebiets möglich.“
Doch damit die Errichtung der Windkraftanlagen auch umsetzbar ist, gilt es ebenso, der Genehmigungsbehörde bis Ende des Jahres einen vollständigen Antrag auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorzulegen. „Danach dauert es noch ein bis zwei Jahre, bis das Verfahren durch ist.“ Bis es jedoch so weit ist, will der Windanlagen-Entwickler mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Insgesamt 13 Experten von Juwi stehen zum Info-Markt den Bürgern zu verschiedenen Themen, wie unter anderem Schall, Schatten sowie Umwelt- oder Regionalplanung, Rede und Antwort. Wie können sich Bürger in das Projekt einbringen? Welche Folgen hat der Bau auf die Landschaft? Was passiert mit den Immobilienpreisen oder welche Schallgrenzwerte bestehen?

Schutz von Security am Eingang in
der Turnhalle in Dittmannsdorf informierten
die Experten von Juwi über
die Pläne. Foto: Judith Hauße
Projektentwickler plant drei Windkraftanlagen
Errichtet werden sollen die drei Windräder des 6-Megawattmodells in einer Höhe von 250 Metern. Visualisierungen zeigen, wie die Windräder an verschiedenen Standorten zu sehen sein könnten, etwa aus Richtung der Augustusburg, der Dittersdorfer Höhe oder aus der Perspektive vom Einkaufszentrum Zschopau/Gornau. Skeptisch blickt ein Bewohner des Wohngebiets Klein-Tirol-Süd auf die grafische Darstellung. „Für unseren Standort sehe ich hier keine Visualisierung“, meint er. „Wir wären knapp 1.000 Meter vom Aufstellungsort der Windräder entfernt.“ Projektleiterin Janine Göhring erklärt, dass dies der gesetzliche Mindestabstand ist. Auf Nachfrage des besorgten Anwohners, der lieber anonym bleiben will, verspricht sie ihm, die Darstellung aus Perspektive seines Wohngebietes nachzuliefern. „Alle grafischen und schematischen Abbildungen werden zusätzlich auch auf unserer Webseite zu finden sein“, betont sie.
Andere Bürger machen sich hingegen Sorgen um die Wanderwege rund um den Spitzberg. Ein Juwi-Experte versichert ihm, dass die Windanlagen die Wanderer nicht daran hindern werden, die Gebiete passieren zu können. Im Gegenteil, anders als bei Solarparks seien Windparks begehbar, meint er. Die um ihn versammelten Bürger bleiben skeptisch, niemand wolle an den lauten Anlagen vorbeilaufen, sagen sie. Die Projekt-Chefin verweist dabei auf die Berechnung des Schalls, dass Grenzwerte einzuhalten seien. „Aufgrund gesetzlicher Richtwerte sind wir verpflichtet, spezielle Drosselungskonzepte vorzulegen.“
Ganz schön viel Wind
Auf einem anderen Plakat sind Informationen zur Stromgewinnung aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien abgebildet. Eine Frau fragt, ob die bisherige Energieversorgung im Ort denn nicht ausreichen würde – auch sie möchte aus Angst, für ihre Meinung verurteilt zu werden, nicht beim Namen genannt werden. Ihre Bedenken knüpfen an die des Petitionsinhabers Sebastian Fritzsch an, der im Gespräch mit regionalspiegel erklärte, dass es in Gornau schon vier Windräder gäbe. Im Gewerbegebiet produziert außerdem eine 1,7-Megawatt-Photovoltaikanlage Strom. Auf einem Feld zwischen Gornau und Dittmannsdorf ist ein weiterer Strompark Solarpark geplant. regionalspiegel fragt bei der Juwi-Projektleiterin nach. Die Stromversorgung durch Erneuerbare Energien sei keine lokale, sondern nationale Herausforderung. „Es ist ein Umbau in die dezentrale Energieversorgung, d.h. das große Zusammenspiel zum Beispiel von PV und Windkraft wird eine große Rolle in der Energieeinspeisung spielen.“ Dies sei nur eines der vielen Vorteile für die Region, die sie noch einmal bei späteren Informationsveranstaltungen mit den Bürgern und der Gemeinde gern mitanbringen möchte, wie sie sagt. Am Ende des ersten Info-Marktes zeigte sie sich zufrieden, es sei ein guter Austausch gewesen
Andere Bürger wiederum sehen ihre Bemühungen, bereits über 1.000 Stimmen gegen den Bau gesammelt zu haben, aussichtlos. „Im Grunde haben wir als Bürger keine Chance“, entgegnet einer der Bewohner beim Verlassen der Turnhalle gegenüber regionalspiegel.