Start Zwickau „Wir leben noch von unseren Beständen“
Artikel von: Redaktion
01.04.2020

„Wir leben noch von unseren Beständen“

Frieder Neidel hofft auf ein Umdenken zugunsten der systemrelevanten Berufe. Dazu zählt auch die Sparte der Firmengruppe Neidel. Foto: Alice Jagals

Werdau.  „Was in Pflegeheimen gilt, sollte auch im betreuten Wohnen umgesetzt werden“, sagt Dipl.-Med. Frieder Neidel, Geschäftsführer der Firmengruppe Neidel. Was er damit meint, ist, dass nach dem Erlass des Freistaates zur Eindämmung der Coronavirus-Infektion zwar Besuche in Pflegeheimen verboten sind, aber im Bereich des betreuten Wohnens nicht. „Uns ist klar, dass die Menschen jetzt sehr einsam sind. Aber es ist das sicherste Mittel, das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten. Denn auch hier wohnen Risikopatienten, die besonders geschützt werden müssen.“

Die Firmengruppe betreibt unter anderem je zwei betreute Wohnhäuser in Crimmitschau und Fraureuth sowie eins in Chemnitz. Die Tagespflege mit 13 Patienten ist derzeit geschlossen. Außerdem werden zwölf Patienten intensivmedizinisch betreut. „Dazu muss man sich bewusst machen, dass im betreuten Wohnen auch die Gemeinschaftsräume gesperrt sind. Somit sind die Pflegekräfte die einzigen Kontaktpersonen der Menschen dort“, betont Frieder Neidel.

Um das Pensum zu stemmen, packen nun auch Pflegeschüler der Firmengruppe mit an. „Doch jetzt sieht man endlich mal, welche Berufe wirklich systemrelevant sind. Und diese Menschen werden für ihre Arbeit nicht entsprechend entlohnt. Das gilt beispielsweise für die Verkäufer, die Lkw-Fahrer, Therapeuten oder natürlich auch das Pflegepersonal“, so Neidel. „Seit Jahren ist das Problem des Pflegenotstandes bekannt. Nun fällt es uns umso mehr auf die Füße.“ Der Vorschlag, den Pflegekräften jetzt eine Einmalzahlung von bis zu 1.500 Euro zu bieten, sieht Neidel nicht zu Ende gedacht. „Das ist toll. Ich weiß nur nicht, wovon ich das zahlen soll.“ Seit Jahren setzt sich der Mediziner für gerechte Löhne ein. Oft wurde er von den Krankenkassen abgewiesen. Seit 2017 gibt es nun doch ein Gesetz, das besagt, dass eine Bezahlung in Anlehnung an den Pflege-Tarif nicht von den Krankenkassen abgeschmettert werden darf. Der entscheidende Anreiz für diesen Beruf ist aber längst nicht geschaffen.

Die auferlegten Schutzmaßnahmen hält der Mediziner für richtig. Das Problem sieht er aber insbesondere in der mangelnden Anzahl an Schutzausrüstung. „Wir beziehen diese von einem deutschen Anbieter. Ich habe mir allerdings noch nie Gedanken darüber gemacht, wer sie herstellt.“  Demnach gebe es derzeit einen Vorrat an Schutzkleidung und Medikamenten für zwei Wochen. Insbesondere für die zwölf intensivmedizinisch zu versorgenden Patienten ist das lebensnotwendig. In Sachen Mundschutz erhält die Firma bald ein Hilfspaket  von der chinesischen Partnerschule im Großraum Shenzhen. Und auch der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) unterstützt tatkräftig bei der Beschaffung. Manch ein Werdauer näht sogar ehrenamtlich die dringend benötigten Atemschutzmasken. „Das ist richtig klasse, aber sowas kann in so einem Land wie Deutschland nicht sein. Gleiches gilt für die neuerdings unverschämt hohen Preise dieser Masken auf dem Markt.“

Wie alle Menschen, hofft auch Frieder Neidel auf ein Ende der Pandemie „und ich hoffe für meine Mitarbeiter und deren Familien, dass sie alle gesund bleiben. Das ist das Entscheidende. Nur so können alle weiterhin für unsere Patienten da sein.“