Start Zwickau Abflug verpasst?
Artikel von: Redaktion
09.03.2016

Abflug verpasst?

Aero Club Zwickau-Vorsitzender Joachim Lenk kämpft um den Flugplatz. Foto: Alice Jagals
Aero Club Zwickau-Vorsitzender Joachim Lenk kämpft um den Flugplatz. Foto: Alice Jagals

Zwickau. Erinnern Sie sich, als im Sommer für mehrere Tage hinweg der blaue Himmel über Zwickau so schön funkelte? Bereits sieben Mal war der Aero Club Zwickau Austragungsort für Deutsche Meisterschaften im Segelflug. Besonders die Nähe zur Innenstadt und das Team um Vorsitzenden Joachim Lenk wurden immer wieder gelobt.

Dass die Stadt und auch so manche gewählten Vertreter schon lange mit zumindest einem neidischen Auge auf das knapp 90 Hektar große Areal blicken, ist lange bekannt.

Bereits sieben Deutsche Meisterschaften im Segelflug wurden auf dem Zwickauer Flugplatz ausgetragen. Nun ist ein ganzer Verein von der Entscheidung der Stadträte abhängig: Gewerbe- und Industriegebiet oder bleibt der Flugplatz erhalten? Foto: Alice Jagals/ Archiv
Bereits sieben Deutsche Meisterschaften im Segelflug wurden auf dem Zwickauer Flugplatz ausgetragen. Nun ist ein ganzer Verein von der Entscheidung der Stadträte abhängig: Gewerbe- und Industriegebiet oder bleibt der Flugplatz erhalten? Foto: Alice Jagals/ Archiv

Besonders hoch gekocht ist das Thema zur Oberbürgermeisterwahl im vergangen Jahr. Da sagte OB-Kandidat Sven Itzek (AfD) im WochenENDspiegel-Interview: „Dort ist im Moment noch ein Segelfliegerclub drauf. Wenn man die Fläche urban machen würde brauchen wir in Schneppendorf keinen Acker umgraben.“ Sollte heißen: Das Areal gehört der Stadt und die müsste, anders als in Schneppendorf wo rund sieben Millionen Euro investiert werden müssten, das Areal nicht erst kaufen, sondern könnte es sofort als Gewerbefläche anbieten.

Das bekräftigte er auch noch einmal am Dienstag im Finanzausschuss. In der Sitzung sollte lediglich über die Verlängerung des Pachtvertrages abgestimmt werden. Doch die Beschlussfassung wurde verschoben, weil es den Mitgliedern des Ausschusses wohl doch zu heiß wurde. Jetzt steht die Zukunft des Platzes und somit Sachsens ältesten Aero Club auf der Kippe.

Die Beschlussvorlage, die den Mitgliedern des Finanzausschusses vorgelegt wurde, beinhaltete zwei grundlegende Punkte: Erstens, sollte darüber abgestimmt werden, den Pachtvertrag, der am 31. Dezember 2021 ausläuft, auf weitere 25 Jahre zu verlängern. Zweitens stellte die Stadt die Bedingung, dass der Aero Club den dringend benötigten Neubau der Segelflieger-Werkstatthalle selbst tragen soll. Ein dritter Punkt befasste sich mit einer Ausklammerung von Teilstücken, die für Gewerbeansiedlungen entlang der Reichenbacher Straße genutzt werden könnten.

Diese Werkstatthalle löste die Debatte um den Verbleib des Flugplatzes neu aus. Sie muss dringend neu gebaut werden, Foto: Alice Jagals
Diese Werkstatthalle löste die Debatte um den Verbleib des Flugplatzes neu aus. Sie muss dringend neu gebaut werden. Foto: Alice Jagals

Knackpunkt Werkstatthalle
Die Werkstatthalle ist auch der Ausgangspunkt, weshalb der Aero Club selbst bereits jetzt auf eine Verlängerung drängte. Nur durch eine Notsicherung konnte die Nutzung bis Oktober 2016 ausgehandelt werden. Benötigt werden dafür 365.000 Euro. Fördermittel über den Landessportbund an die sächsische Aufbaubank sind beantragt.

Dort will man aber die Sicherheit, dass der Flugplatz für mindestens weitere 25 Jahre Bestand hat. Sollten diese Fördermittel nicht fließen beziehungsweise der Aero Club nicht in der Lage sein, die restliche Summe selbst aufzutreiben, würde der Pachtvertrag Ende 2021 schlussendlich auslaufen

Stadt fördert Verein nicht
Der Aero Club hoffte mit dem Haushaltsbeschluss auf kommunale Unterstützung von rund 160.000 Euro, „die Zwickaus Oberbürgermeisterin Pia Findeiß beim Besuch zur Deutschen Meisterschaft der Club- und Doppelsitzerklasse im vergangenen Jahr offiziell zugesagt hatte“, betonte Vorsitzender Joachim Lenk bei der kürzlich stattgefundenen Jahreshauptversammlung. Im Haushalt hatte die Summe nun keinen Platz gefunden und das, obwohl das Problem seit fünf Jahren bekannt ist. Der Verein selbst hätte sich mit 70.000 Euro beteiligt.

Verein kämpft weiter
Da die Stadt sich nicht an einer Finanzierung beteiligt, „wird der Verein wohl einen Kredit aufnehmen“, sagt Joachim Lenk auf WochenENDspiegel-Nachfrage. Dass die Stadt recht wenig von einer finanziellen Unterstützung hält zeigt auch der Fakt, dass sie in den letzten 25 Jahren gerade einmal 50.000 Euro in den Verein investierte.

Großveranstaltungen müssten weichen
Hinzu kommt nun, dass mit der Abzweigung von Pachtfläche einige Veranstaltungen auf dem Gelände nicht mehr stattfinden können, da einfach der Platz, beispielsweise für Parkmöglichkeiten fehlen würden. „Zwar zahlt der Verein jährlich nur 1.200 Euro an Pacht.

Für die Bewirtschaftung der gesamten Fläche bringen wir jährlich jedoch 40.000 Euro auf. Allein durch Veranstaltungen haben wir im Jahr wieder 10.000 Euro gut gemacht“, erklärt Lenk.

So sehen es die Ausschuss-Mitglieder
Mirko Richtsteiger, Amtsleiter Liegenschafts- und Hochbauamt, machte deutlich, dass der Verkehrslandeplatz die wichtigste Frischluftschneise für Zwickau sei und es im Falle einer Gewerbe- bzw. Industrieansiedlung zu erheblichen Lärmproblemen führen könne, zumal der Wohnstandort Neuplanitz unweit entfernt ist. Ein Ansiedlungsvorhaben an dieser Stelle gebe es bisher nicht.

Sven Itzek (AfD) positioniert sich nicht erst seit heute für einen Gewerbestandort. Das habe bereits eine Untersuchung der Architektengruppe „Zwickau 2050“ befürwortet. Außerdem gebe es zwei tolle Flugplätze, einen in Jahnsdorf und einen in Altenburg.

Sven Wöhl (Die Linke) findet die Begründung mit der Frischluftschneise dahingehend hinfällig, weil man das Thema im Bereich des Autohauses Strauß ebenfalls jahrelang thematisierte und nun wären Wohnhäuser an diesem Standort wieder möglich.

Jens Heinzig (SPD) bezeichnet die Entscheidung als „weder Fisch noch Fleisch“. „Zum einen fallen Veranstaltungen dort weg und zum anderen würden wir uns der Möglichkeit berauben, Gebwerbe anzusiedeln.“

Carsten Schick (FDP) sei zwar kein Freund der Fliegerein, „aber wir mögen bitte bedenken, dass das kein reines Stück grüner Wiese ist, über das wir hier sprechen.“

Bei der Vorlage, die lediglich heute vom Finanzausschuss beschlossen werden soll, geht es doch eigentlich um die Zukunft des Flugplatzes. Das Thema liegt doch schon ewig in der Schublade und nun müssen wir plötzlich darüber entscheiden?“, sagte Tristan Drechsel (BfZ) am Dienstagabend.

Einig war man sich, dass noch zu viele Fragen offen seien. Und so beantragte Michael Luther (CDU) eine zweite Lesung. Er fände eine Verlängerung des Pachtvertrages gut. Allerdings mit der Option, dass bei Bedarf, der Platz vorzeitig der Stadt zurückgegeben werde.

Finanzbürgermeister Bernd Meyer machte darauf aufmerksam, dass dann die Stadt die Fördermittel für die Werkstatthalle wieder zurückzahlen müsse, nicht der Verein.

Entscheidung muss her
Die Zeit wird also knapp. Denn der Neubau der Werkstatthalle ist dringend notwendig.

Im Oktober erlischt die Genehmigung und damit besteht für die Segelflieger nicht mehr die Möglichkeit einer ordentlichen Wartung ihrer Flugzeuge.

Das könnte das Aus für die Sparte Segelflug bedeuten. Und aufgrund des Beschlusstextes sogar das Aus für den Verein und einer Ära, die in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag feiert.

Von den rund 7.260 Starts im Jahre 2015 waren 2.610 Segelflieger abgehoben.                   aj