Start Erzgebirge Bei Anruf Hilfe
Artikel von: Sven Günther
29.10.2019

Bei Anruf Hilfe

n diesem Apparat sprechen Mitarbeiter der Telefonseelsorge mit den Anrufern. Foto: Tabea Waldmann

Telefonate mit Beichtgeheimnis

Von Sven Günther
Region. Wenn dieses Telefon klingelt, geht es nicht um Lappalien. Wir sehen den Apparat der TelefonSeelsorge. Unter den Nummern 0800/111 0 111 oder 0800/ 111 0 222 wird Menschen aus ganz Südwestsachsen geholfen. Chefin ist Tabea Waldmann. Sie erklärt: „2018 kamen in der TelefonSeelsorge Vogtland 9.502 Anrufe an.“

Niemand, der anruft, wird nach seinem Namen gefragt. Jede und jeder kann anonym bleiben. Die Rufnummer der Anrufenden erscheint in keinem Display. Da das Telefonat gebührenfrei ist, hinterlässt es keine Datenspur, beispielsweise auf der Telefonrechnung.
Und: Die Mitarbeiter, die am Tag fünf und nachts neun Stunden Dienst haben, unterliegen, wie Pfarrer, Ärzte oder Journalisten, der Schweigepflicht.
Die TelefonSeelsorge-Stellen sind Tag und Nacht dienstbereit, auch an Wochenenden und Feiertagen. Die durchschnittliche Gesprächsdauer betrug 28 Minuten. Die Leiterin: „Wir beobachten bereits seit Jahren, dass die Gespräche immer länger werden.“
Es melden sich rund 75 Prozent Frauen, möchten über Familie, Einsamkeit, Politik, Geld, Arbeit und Sexualität sprechen. In 193 Fällen ging es auch um Suizid. Ein oder zweimal pro Jahr sind es akute Fälle, in denen die Leiterin direkt die Polizei alarmieren muss.

Die TelefonSeelsorge ist da für Menschen in Not – wenn Ereignisse erschüttern, eine schwere Diagnose verkraftet werden muss, Ängste oder psychische Belastungen einengen, die Lage aussichtslos erscheint. Gerade dann wünschen wir uns einen Menschen, der bei uns ist, der zuhört und versucht zu verstehen.
Ein Gespräch bringt Entlastung. Über Trauer sprechen zu können, wirkt tröstlich. Es gibt viele Gründe, die kostenlosen Nummern der Telefonseelsorge zu wählen.
Tabea Waldmann: „Wie auch in den letzten Jahren sprachen die Anrufenden am häufigsten über ihre eigenen psychischen Erkrankungen. Über die inneren Nöte zu sprechen, bringt Entlastung, wirkt beruhigend und stabilisierend.“
Telefonate, die auch die Seelsorger selbst belasten. „Diese Gespräche stellen eine besondere Herausforderung für die ehrenamtlichen Seelsorger/innen dar. Regelmäßig gibt es Weiterbildungen, die über psychische Störungsbilder informieren und die Seelsorger/innen in ihrer eigenen Haltung stärken“, sagt Tabea Waldmann und ergänzt: „Wir suchen immer wieder Verstärkung. Im Januar 2020 beginnt ein neuer Ausbildungskurs. Er umfasst 150 Stunden für die Dauer von einem Jahr. Die erworbenen Fähigkeiten bilden die Grundlage für den Dienst am Telefon und in der Chat-Beratung.“
Chat-Beratung? Seit 2019 wird auch diese Möglichkeit der Seelsorge angeboten.
Tabea Waldmann: „Die Medienlandschaft und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Mit dem Chat-Angebot erreichen wir auch junge Leute.“

ie Mitarbeiter der Telefonseelsorge bleiben anonym und müssen auch gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft keine Angaben machen. Wie Pfarrer, Ärzte oder Journalisten unterliegen sie der Schweigepflicht. Foto: Tabea Waldmann