Start Erzgebirge Der EHV und der unerkannte Wessi
Artikel von: Sven Günther
17.02.2021

Der EHV und der unerkannte Wessi

EHV-Kapitän und Linksaußen Kevin Roch im Spiel gegen TUSEM Essen. Foto: Manja Gehlert/sport-concepte Bad Schlema

Wetten, dass…

Von Sven Günther
Lößnitz. Es gibt Fakten, mit deren Kenntnis man in der Kneipe jede Wette gewinnt.

Wetten, dass in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im WM Endspiel 1974 gegen Holland ein Spieler stand, der die niederländische Staatsbürgerschaft hatte?*
Wetten, dass eine Norwegerin in der schwedischen Band ABBA singt?
Wetten, dass ein ehemaliger DDR-Oberligaspieler 1954 in Bern mit (West)Deutschland Fußball-Weltmeister wurde?
Wetten, dass es beim EHV einen „Wessi“ gibt, den alle für einen waschechten Erzgebirger halten?

Handball Insider wissen: Julius Schroeder kam in Gummersbach zur Welt, Maximilian Lux in Pegnitz, Bengt Bornhorn in Osterholz-Scharmbeck. Aber wer ist der vierte „Wessi“? Die Antwort: Der Kapitän Kevin Roch. In seinem Pass steht unter der Rubrik Geburtsort Pforzheim. Der Linksaußen: „Kurz vor der Wende sind meine Eltern in den Westen geflüchtet und ich wurde in Pforzheim geboren. Schon nach ein paar Jahren sind wir zurückgekommen und ich spiele seit der D-Jugend Handball im Erzgebirge.“
Dem WochenENDspiegel gab Kevin Roch dieses Interview:

WOCHENENDSPIEGEL:
Wie schätzt Du den Verlauf der ersten Halbserie ein?

KEVIN ROCH:
Wir haben keine schlechte Hinrunde gespielt. Wenn man auf die Tabelle schaut, sieht das auch ganz gut aus. Aber wir Spieler ärgern uns sehr, dass wir einige Punkte liegengelassen haben. Gegen Fürstenfeldbruck, gegen Großwallstadt. Selbst gegen Hamm, das vor der Saison als einer der Favoriten gezählt wurde, hätten wir gewinnen müssen. Wir haben 10:1 geführt.
Die Mannschaft ist ehrgeizig! Auch wenn es vor der Saison immer heißt, dass das Ziel der Klassenerhalt ist, spüren wir, dass wir mit unserem Kader im oberen Tabellendrittel mitspielen können, ein einstelliger Tabellenplatz realistisch ist. Aber dazu muss jeder sein Potenzial abrufen.

WOCHENENDSPIEGEL:
Auch der EHV-Linksaußen Kevin Roch? 23 Tore und 21 Fehlwürfe sind – um es vorsichtig zu formulieren – nicht gut…

KEVIN ROCH:
Stimmt. Meine Quote ist wirklich mies. Die Mannschaft braucht Tore von Linksaußen, braucht Tore von mir. Aber ich arbeite weiter hat, werde mich steigern und auch wieder Treffer für den Erfolg beisteuern.

WOCHENENDSPIEGEL:
Der sportliche Erfolg ist in dieser Saison hinter das Wort Gesundheit zurückgetreten. Wie habt ihr die schwere Erkrankung von Stephan Swat erlebt.

KEVIN ROCH:
Zunächst steht fest, dass sich Stephan über jeden sportlichen Erfolg von uns gefreut hat und jeder Punkt vielleicht auch ein klein wenig zur Gesundung beitrug. Aber natürlich haben wir uns alle große Sorgen um Stephan gemacht, als es ihm so schlecht ging.
Generell war die Mannschaft und der Verein auf Corona gut eingestellt. Für uns ist klar, dass wir demütig sein müssen. Wir können, wenn auch ohne Live-Zuschauer, unseren Sport ausüben, verdienen Geld.
In vielen Branchen haben Angestellte und Geschäftsinhaber dieses Glück, dieses Privileg nicht. Geschäfte und Restaurants sind dicht, Pleiten drohen. Da sollten wir nicht lamentieren, dass keine Fans in der Halle sind und wir uns testen lassen müssen.

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WOCHENENDSPIEGEL:
Wie hast Du den Wechsel zu Trainer Runar Sigtryggsson erlebt?

KEVIN ROCH:
Nachdem Stephan ausgefallen ist, haben zunächst Kirsten Weber und Michael Hilbig uns aufgefangen und ihre Sache gut gemacht. Dann kam Runar und wir sind dankbar, dass er so schnell eingesprungen ist, seine Familie vorübergehend in Island zurückgelassen hat. Natürlich dauert es etwas, bis wir seine Vorstellungen umsetzen können, hatten im Januar Zeit, verschiedene Dinge zu trainieren. Jetzt müssen wir damit Spiele gewinnen.

WOCHENENDSPIEGEL:
Spiele gewinnen und am nächsten Tag im Helios-Klinikum arbeiten?

KEVIN ROCH:
Ja, ich bin glücklich, dass ich diesen Arbeitgeber habe. Er war ja schon mein Praxispartner während des Studiums der Sozialpädagogik an der BA Breitenbrunn. Jetzt bin ich Teil des Teams, dass sich um das Entlassungsmanagement von Patienten kümmert, arbeite 20 Stunden die Woche, damit Zeit für das Training bleibt.
Aber eins ist sicher: Die Aufgaben in der Klinik lassen einen schnell ein verlorenes oder gewonnenes Handballspiel vergessen. Da geht es um wichtigere Dinge.

*Rainer Bonhof
https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Bonhof

*Anni-Frid
https://de.wikipedia.org/wiki/Anni-Frid_Lyngstad

*Fritz Laband
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Laband