Start Zwickau Durch Erben ins Verderben
Artikel von: Redaktion
03.09.2015

Durch Erben ins Verderben

Auch wenn ein Testament vorliegt kann jeder Erbe ohne Angabe von Gründen eine Erbschaft ausschlagen. Foto: BHW

Landkreis Zwickau. Wenn einem ein Brief vom Nachlassgericht ins Haus flattert, denkt man erst einmal nichts Gutes. „… soweit  hier bekannt ist, dürften Sie Erbe oder Miterbe geworden sein…“, steht in einer der obersten Textzeilen. Und schon gleich wird darauf hingewiesen, dass man das Erbe nach Paragraph 1945 des Bürgerlichen Gesetzbuches ausschlagen kann. Was sollte man also tun, wenn man die verstorbene Person kaum bis gar nicht kennt oder man sogar weiß, dass man sich einen Berg Schulden anstelle eines Goldesels ins Haus holt?
Nach Aussagen des Amtsgerichts Zwickaus wurden im Jahr 2014 insgesamt 919 Erbschaften ausgeschlagen. Bis Ende August dieses Jahres waren es immerhin schon 517 Ausschlagungen. Da mehrere Erben angeschrieben werden, beziehen sich die Zahlen ausschließlich auf diese und nicht auf die Verstorbenen.

Ausgeschlagen werden kann das Erbe immer. Egal, ob aufgrund verwandter Erbfolge oder eines Testaments. Um potentielle Erben ausfindig zu machen, wird ein Rechtspfleger bestellt oder ein so genannter selbstständiger Erbenermittler. „In aller Regel erfolgt die Ermittlung von Erben über die Einholung von Auskünften bei den Standesämtern, um die verwandtschaftlichen Verbindungen festzustellen und damit Erben namhaft zu machen“, erklärt Stephan Zantke, Pressesprecher am Amtsgericht Zwickau.

Dieser Prozess kann nicht nur Tage oder Wochen, sondern gar Monate oder Jahre dauern. Zwar könnte sich der Staat über das Erbe freuen. In der Regel sieht es aber so aus, dass das Erbe höchst wahrscheinlich verschuldet ist. Daher bleibt auch die Frage nach der Kostenbeteiligung für die Bestattung. „Im Jahr 2014 gab es in der Stadt Zwickau 87 Sterbefälle, für die keine Angehörigen ermittelt werden konnten. Die Kosten für die Bestattung trägt in diesen Fällen die Stadt Zwickau“, erklärt Jörn Voigtsberger, Amtsleiter des Garten- und Friedhofamtes Zwickau.
Die Kosten für Bestattungen in den Fällen, für die keine Angehörigen ermittelt werden konnten beziehungsweise die Angehörigen die Bestattung aus verschiedenen Gründen abgelehnt haben und die zunächst durch die Stadt zu tragen sind, betrugen 2014 knapp 123.600 Euro.

Die Zeit läuft auch bei Verstorbenen
Ist der Mensch einmal gestorben, muss natürlich auch bei ihm schnell gehandelt werden. Laut Paragraph 19 des Sächsischen Bestattungsgesetzes muss innerhalb von acht Tage eine Einäscherung beziehungsweise Erdbestattung durchgeführt werden. Gekühlt wird der oder die Tote zwischen drei und fünf Tagen. Im Krematorium in Zwickau fallen für die Kühlung pro Tag fünf Euro an. Die Kosten werden vom Ordnungsamt übernommen, welches auch Auftraggeber für die Bestattung ist.

Verstorbene ohne Angehörige werden so beigesetzt, wie es ortsüblich ist. Hat der Verstorbene seinen Willen dahingehend bekundet, dass er gern erdbestattet werden möchte aufgrund seiner Religionszugehörigkeit wird dieser Wunsch erfüllt. In den anderen Fällen werden die Verstorbenen in Zwickau in der Gemeinschaftsanlage auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. „Diese Beisetzungsform wird von über 70 Prozent aller Hinterbliebenen gewählt“, weiß Voigtsberger. „Wer jedoch sein Grab am Fuße des Himalaya wünscht, wird bei seinen Erben nicht unbedingt diesen Wunsch erfüllt bekommen, besonders dann, wenn damit Schulden einhergehen würden“, fügt Stephan Zantke hinzu.

Kurz, aber würdevoll
Die Urne der menschlichen Überreste, die durch niemanden bezahlt wird, wird vom Beisetzer an einem von der Friedhofsverwaltung festgesetzten Termin in der Gemeinschaftsanlage bestattet. Ist bekannt, dass Freunde, Nachbarn, Bekannte an der Beisetzung teilnehmen wollen, so wird dafür auch eine Uhrzeit bekannt gegeben, zu der sich die Betroffenen an der Treppe vor der Trauerhalle treffen können, um den Weg bis zum Grab gemeinsam zu gehen. Der Beisetzer verliest dort am Grab den Namen des Verstorbenen mit Geburts- und Sterbedatum und spricht sein Beileid aus. Blumen werden von der Stadt nicht gestellt.

Übrigens: Wer einmal einen solchen Brief, wie anfangs erwähnt, vom Nachlassgericht bekommen hat, kann innerhalb von  sechs Wochen das Erbe annehmen oder eben auszuschlagen. Bei nicht verheirateten Paaren, die bereits Kinder haben, muss das entsprechende zweite Elternteil des bzw. der Kinder eine etwaige Ausschlagung ebenfalls befürworten. Andernfalls kann das Kind ab dem vollendeten 18. Lebensjahr erneut ein Anschreiben erhalten.