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Artikel von: Sven Günther
10.05.2022

Lächeln und Tränen

Das Kinderpaar wird jetzt erstmals in Grünhainichen in Serie produziert. Der Entwurf stammt von Olly Wendt

Zwei neue Figuren und eine alte Geschichte

Von Sven Günther
Grünhainichen. Wenn man die feinen Figuren sieht, zaubert der Anblick dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht. Kennt man aber die bewegende Geschichte ihrer Schöpferin, werden die Augen feucht…

Wir sehen ein Kinderpaar aus dem Hause Wendt&Kühn. Der Junge legt den Arm vertraut-unterstützend auf den Rücken des Mädchens, das bezaubernde rosafarbige Schleifchen in den Zöpfen trägt. Die beiden symbolisieren Vertrautheit, stehen für gegenseitige Unterstützung und schenken uns mit dem berühmten Wendt&Kühn-Lächeln Freude.

Das sind Geschwister, werden die meisten Menschen denken, die den Jungen und das Mädchen zum ersten Mal sehen.
Wer sich mit der Marke aus Grünhainichen intensiver beschäftigt, nickt und ergänzt: Die Vorlagen waren wahrscheinlich Hans und Sigrid, die Kinder von Olly Wendt.
Olly Wendt. Keine andere Frau neben Firmengründerin Grete Wendt hatte mehr Einfluss auf die Figurenwelt der Traditionsmarke. Schon 1913 war die kleine Olly Sommer mit ihren Eltern aus Riga nach Dresden umgesiedelt, belegte im September 1915 einen Kurs in der Dresdner Filiale der Berliner Zuschneide-Akademie. Ihr, OIlys, Talent, zeigt sich schon dort. Im Zeugnis wurde vermerkt: „Schnittzeichnen, deutsche, englische und französische Form: besonders gut. Maßnehmen, Berechnen der Stoffe, Farbenharmonie: sehr gut.“

Olly Wendt mit ihren beiden Kindern Hans und Sigrid. Fotos: Archiv Wendt&Kühn

Ab 1917 studierte sie an der Staatlichen Kunstgewerbeschule Dresden bei Professorin Margarete Jung, vor der auch Firmengründerin Grete Wendt zehn Jahre vorher studierend saß und die Olly Sommer der Firma empfahl.
Ab 1920 gestaltete Olly Sommer die Figuren von Wendt&Kühn mit, lernte schnell Grete Wendts Bruder Johannes kennen und später lieben. Am 19. Februar 1930 heirateten die beiden, noch im gleichen Jahr kamen Hans und Sigrid zur Welt.

Die Welt war in Ordnung, das Leben schön – und doch sollte es eine dramatische Wende erfahren. Im September 1945 wird Johannes Wendt von russischen Soldaten festgenommen, in ein Außenlager des KZ Buchenwald gebracht.
Olly sieht ihren Mann dort zum letzten Mal. Durch den Stacheldraht, als sie versuchte, Winterkleidung ins Lager zu bringen! Erst im Oktober 1962 wird sie von den DDR-Behörden darüber benachrichtigt, dass ihr Johannes am 7. Dezember 1945 im russischen Internierungslager Tscherepowez verstorben war. Die Kinder Hans und Sigrid hatte sie schon kurz nach der Festnahme ihres Mannes aus Angst vor Repressalien ins Allgäu geschickt.

Hans und Sigrid, die Vorlagen für die beiden Figuren, die jetzt erstmals in Grünhainichen in Serie hergestellt werden. Zwei Figuren, deren Anblick dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Kennt man aber die bewegende Geschichte ihrer Schöpferin dahinter…