Artikel von: Sven Günther
04.02.2021
Mehr Ozon durch saubere Luft
Erzgebirgswald konstant im Ozon-Stress
Von Sven Günther
Freiberg. Ihr Forschungsobjekt sieht man nicht, riecht man nicht – und man spürt es trotzdem: Ozon. Forschende der Bergakademie werteten die Ozondaten seit 1981 an vier erzgebirgischen Luftqualitätsmessstationen in Carlsfeld, Fichtelberg, Schwartenberg und Zinnwald aus. In einer neuen Studie wurden jetzt speziell die Werte in den Wintermonaten untersucht.
Erstautorin Hannah Gebhardt, die die Messwerte aus dem Erzgebirge im Rahmen ihrer Bachelorarbeit analysierte, erklärt: „Während die Ozonkonzentrationen im Winter in den 1980er Jahren niedrig waren, kam es in den 1990ern zu einem starken Anstieg. Seit 1997 haben die Werte nicht mehr abgenommen und pendelten sich auf einem hohen Niveau ein.“
Überraschend, weil die Luftbelastung durch Schwefeldioxid, Staub und Stickoxide deutlich zurückgegangen ist. „Aber genau das ist der Grund, warum die Werte nicht gefallen sind“, erklärt Teamleiter Prof. Jörg Matschullat und erläutert:
„In Wolken- und Nebeltröpfchen befinden sich eine ganze Reihe von Stoffen, gelöst und als Aerosol, die am Ozonabbau beteiligt sind. Dazu gehören vor allem auch Stickstoffverbindungen wie Ammonium (NH4) und Stickoxide (NOx). Die lokalen Quellen solcher Verbindungen sind im Erzgebirgsraum massiv zurückgegangen. Das liegt vor allem an Kollaps und Konversion unserer regionalen Wirtschaft, sprich Betriebsschließungen nach der Wiedervereinigung und Umstellung von Betrieben – sowohl in Landwirtschaft als auch in der Industrie. Wenn diese Verbindungen als Reaktionspartner für Ozonabbau „fehlen“, dann bleibt das sehr reaktive Molekül Ozon eben länger in der Luft.“
Die Quintessenz: Weil die Luft immer besser wird, bleibt der Erzgebirgswald konstant im Ozon-Stress, denn zugleich wird Ozon über Ferntransport aus anderen Regionen eingetragen, aber nicht mehr zerstört.
Ein Zustand, der für die Bäume gefährlich ist. Prof. Matschullat: „Das hoch reaktive Molekül Ozon ist letztendlich ein Reizgas. Das spüren wir Menschen vor allem im Augenbereich, wenn wir stundenlang erhöhten Konzentrationen ausgesetzt sind. Entsprechend aggressiv verhält es sich gegenüber Pflanzenzellen. Durch deren Atmungsöffnungen, die Stomata, dringt das Gas ein und führt zu Reizungen oder im Extremfall zu Zelltod.“
Zum Ozon-Stress kommen Dürre, Stürme und Schädlingsbefall, die den Bäumen zusetzen. Jungpflanzen sind besonders anfällig. Der Wissenschaftler: „Es ist wenig erfolgversprechend, Kahlschläge durchzuführen und dort dann junge Bäume zu pflanzen. Die Chance, erfolgreich anzuwachsen und sich unter Schutz zu entwickeln, ist innerhalb eines Bestandes am größten.“
Laut Prof. Matschullat dauert es fünf bis 20 Jahre, bis die Bäume eine Stärke (= Widerstandskraft = Resilienz) erreicht haben, die solchen Stressoren gegenüber weniger empfindlich reagiert.
Das Fazit: Ozon, Dürre, Stürme, Schädlinge – unser Erzgebirgswald schreit still nach Schutz.