Artikel von: Judith Hauße
21.09.2023
Niners-Coach Pastore im Exklusiv-Interview
Rodrigo: „Wir sind sehr glücklich, mit dem was wir haben“
Mit den Worten „Wir sind sehr glücklich, mit dem was wir haben“ bekennt sich NINERS-Headcoach Rodrigo Pastore zu seinem Team für die Saison 2023/24. Das fast schon zur Tradition gewordene, lange Warten auf die Teamzusammenstellung, fiel diesen Sommer aus. Der Argentinier und sein Scouting Team präsentierten schon sehr früh in der Offseason die Neuzugänge und strahlen über ihr problemloses Scouting. Das zeigte sich auch in den bereits abgelegten Testspielen: 3 Siege und 1 Niederlage spiegeln die bereits fruchtende Chemie zwischen dem frisch zusammengestellten Team wider. Bis zum ersten BBL Spiel am 27. September gegen den amtierenden Meister in Ulm, hat das Team um Pastore noch etwas weniger als eine Woche Zeit, sich auf die kommende Spielzeit vorzubereiten. WochenENDspiegel traf den Chef-Trainer eine Woche vor dem ersten Spiel der neuen Saison zum Interview:
WOCHENENDSPIEGEL: Zuletzt meinten Sie, „Wir werden alles geben, um unsere Geschichte fortzuschreiben.“ Wie geht die Geschichte für Sie in Chemnitz weiter? Wie lautet ihr Game-Plan?
Rodrigo: Es ist nicht meine Geschichte, oder mein Game-Plan – sondern die, der Organisation. Seit vielen Jahren entwickeln wir uns weiter und glauben, dass ein Teil des Prozesses diesen Sommer beendet wurde und wir nun in eine neue Phase der Niners-Entwicklung gehen. Unsere Vision ist es, ein Top-4 Team in der BBL zu werden. Die Art wie wir Spieler rekrutieren, die Art wie wir mit ihnen arbeiten, die Art wie wir vor und während der Saison trainieren, die Zusammensetzung des Trainerstabs– bei all dem, ist die Qualität entscheidend für uns. Es ist ein sehr hochgestecktes Ziel, aber die nötigen Schritte auf dem Weg dorthin sind auch sehr klar und wir sind äußerst optimistisch.
WOCHENENDSPIEGEL: 1 Niederlage, 3 Siege in der Vorbereitung – Wie stark ist das Team?
Rodrigo: Siege und Niederlagen in Testspielen sind egal. Wir sind sehr glücklich, mit dem was wir haben. Im letzten Jahr stellten sich gleich am Anfang Unstimmigkeiten heraus, aus denen wir lernen konnten. Leute glauben, dass die Teamzusammenstellung erst im Sommer, nach Saisonende beginnt, aber das ist ein langer Prozess. Wir arbeiten jetzt schon am Team für die nächste Saison. Was wir dieses Jahr sehr gut gemacht haben, ist unsere Liste auf die Spieler zu reduzieren, bei denen wir das Gefühl hatten eine gute Chance zu haben, anstatt Spielern hinterher zu jagen, die nur unterschrieben hätte, weil sich ihnen nichts anderes bot. Unsere Jungs sind alle sehr professionell, wollen wirklich hier spielen und genießen es, Teil von etwas zu sein, dass größer ist als sie selbst. So far so good. Wir haben dennoch ein paar Komplikationen. Es gab ein paar kleinere Verletzungen und das Team ist auf Papier noch nicht vollständig. Wir haben eine Situation mit einem Spieler, der in einer Vertragsunstimmigkeit mit seinem alten Verein ist und uns damit nicht fürs Training Verfügung steht. Wir hoffen natürlich weiterhin, dass er Teil unseres Teams werden kann.
WOCHENENDSPIEGEL: Ich frage deshalb, weil neben der BBL auch andere Wettbewerbe, wie der Eurocup, anstehen. Stichwort Doppelbelastung. Mit einer 9-Rotation muss das doch eine große Herausforderung sein?
Rodrigo: Selbst mit 10,11,12 Spielern– wenn es um Wettkampf und Konkurrenz geht ist nichts einfach. Wir werden bereit sein, egal wie viele Spieler wir haben. Ich sehe das also nicht als Problem, sondern als gute Challenge – zwei verschiedene Ligen zu spielen und bereit zu sein, physisch wie psychisch, auf dem Level zu performen. Außerdem trainieren wir gerade mit 10 Jungs – wir haben genug Spieler. Ideal ist es trotzdem nicht, weil Verletzungen Teil des Prozesses sind. Wir haben zwar einen Plan und Maßnahmen zum Thema Verletzungsprävention und versuchen so viel wie möglich zu kontrollieren, um unsere Spieler von Risiken fernzuhalten, „Unfall-Verletzungen“ können dennoch vorkommen.
WOCHENENDSPIEGEL: Gibt es in dieser Hinsicht Dinge, die Sie letzte Saison gesehen und nun an ihren Trainingsplan oder Ihrer Mentalität angepasst haben?
Rodrigo: Letztes Jahr, was unser Erstes in der europäischen Liga und wir haben sehr daraus gelernt. Nachdem wir verstanden hatten, wie physisch die Liga ist, war es uns wichtig, ein Augenmerk darauf, beim Rekrutieren zu legen. Dieses Jahr sind unsere Spieler, auf natürliche Weise, besser darauf ausgerichtet physischen Basketball zu spielen und haben sogar Freude, an diesem Spielstil. Außerdem, keine Lehre, aber es ist uns trotzdem aufgefallen: Die besten Teams des letzten Jahres rotierten mit neun Spieler – in den Playoffs rotierten Bonn und Ulm sogar nur mit acht. Es ist wichtig, eine gewisse Verfügbarkeit an Spielern während der Saison zu haben, aber es bedeutet nicht, dass man 10 Spieler in der Rotation haben muss. Im Moment rotieren wir mit acht. Es ist nicht ideal, aber es ist kein Problem.
WOCHENENDSPIEGEL: Das erste BBL-Spiel steht beim amtierenden Meister in Ulm an. Was ist das Ziel?
Rodrigo: Wir lieben Konkurrenz. Wenn der Buzzer aufklingt und das Spiel vorbei ist, wird es immer einen Gewinner und einen Verlierer geben. Bei uns gibt es keinen Gleichstand, wie beim Fußball. Es ist sehr simpel – unser Ziel ist zu gewinnen, das ist unser Job. Wir fahren nicht nach Ulm, um Bier zu trinken und ein bisschen Spaß zu haben. So fungieren wir nicht. Wir sind professionelle Athleten und wir wollen gewinnen. Seit Jahren besteigen wir mit dieser Einstellung das Parket im Niners-Trikot. Sind wir immer erfolgreich? Nein. Wir sind uns bewusst, dass es ein Prozess ist. Spiele geben uns immer einen neuen Schwerpunkt im Training, worauf wir uns fokussieren müssen, egal ob Sieg oder Niederlage.
WOCHENENDSPIEGEL: Neben erfahrenen Spielern, die das Team anführen, befinden sich unter Ihren Schützlingen auch einige junge Spieler. Bei wem freuen Sie sich besonders auf die Entwicklung während der kommenden Spielzeit?
Rodrigo: Manche haben vielleicht kein junges Alter, sind es aber, was ihre Erfahrung im BBL-Kontext angeht. Von den Jungs, die die Liga nicht kennen, glaube ich das Brendan Bailey eine Überraschung werden könnte. Außerdem ist Brendan Gregori mittlerweile ein fester Teil des ersten Teams. Er arbeitet sehr hart und ich glaube, dass er der Mannschaft potenziell helfen kann. Lennart und Benjamin sind Langzeitprojekte. Sie haben viel Arbeit vor sich, viele Opfer, die sie bringen müssen, aber sie sind auf dem richtigen Weg und müssen geduldig sein. Mach dich bereit, halte dich bereit und wenn deine Chance kommt, nutze die Situation aus. Ich glaube, alle unserer Spieler besitzen diese Mentalität. Aber ich übe keinen Druck oder spezifische Erwartungen auf sie aus. Sie sind ein Teil des Teams, haben jeweils eine bestimmte Rolle und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre Fähigkeiten und ihren Wert beweisen können.
WOCHENENDSPIEGEL: Wo waren sie, als Deutschland erstmals Weltmeister wurde?
Rodrigo: Zu Hause. Als jemand, der in den späten 90ern selbst in Deutschland spielte und nun in Chemnitz seit neun Jahren coacht, bin ich so stolz, dass erlebt zu haben. Die deutschen Jungs waren individuell aber vor allem als Team sehr gut. Basketball ist ein großartiger und fairer Sport – das hat sich auch in diesem Weltcup gezeigt, denn das beste Basketball Team hat sich den Titel geholt. Manche des deutschen Nationalteams, spielten vor 8/9 Jahren in der ProA gegen Chemnitz. Ich hoffe, dass viele der jungen deutschen Spieler, die gerade in der zweiten Liga spielen, sehen was z.B. Andi Obst und Thiemann erreicht haben, und nun denken: wenn sie es tun konnten, warum nicht ich auch? Sie müssen jedoch verstehen, dass, um in der Euroleague oder für die Nationalmannschaft zu spielen, tausende Stunden harter Arbeit und Opfer, die Tag für Tag, Jahr für Jahr gebracht werden müssen, dazugehören.
WOCHENENDSPIEGEL Könnten sie sich jemals vorstellen, falls sie die Möglichkeit bekommen, selbst Bundestrainer zu sein?
Rodrigo: Ich denke nicht an meinen nächsten Job. Das habe ich noch nie getan. Ich habe eine sehr klare Vision, wo wir mit dieser Organisation ankommen wollen. Jeden Tag versuchen wir dem, durch unsere Arbeit, Hingabe und Willen einen Schritt näher zu kommen. Und wenn es mir danach persönlich helfen sollte, ein höheres Level zu erreichen, dann okay. Diese Brücke werden wir überqueren, sobald wir sie erreichen. Aber im Moment suche ich nach keinem anderen Job. Ich bin glücklich, wo ich bin, und genieße jeden einzelnen Tag. Aber ich bin mir bewusst, dass ich in Zukunft vielleicht nicht mehr hier sein werde. Ich möchte nicht, dass Leute glauben, ich halte meine Situation für selbstverständlich. Ich weiß, dass ich jeden Tag mein Bestes leisten muss und mir das Vertrauen, dass der Club in mich schenkt, erarbeiten muss. Ich bin sehr stolz darauf, der Organisation zu helfen, sie weiterzuentwickeln und nach vorne zu bringen. Hoffentlich können die Fans, die ihr harterarbeitetes Geld darin investieren, uns zuzuschauen, ebenso stolz sein. Es gibt für mich kein besseres Gefühl als Fans glücklich zu machen, durch eine Gruppe von Jungs die, für etwas das größer ist als sie selbst, „Niners-Basketball“ spielt.
Interview von Judith Hauße und Kyriaki Linoxylaki