Start Erzgebirge Personalmangel in der Ho/Ga-Branche
Artikel von: Andre Kaiser
05.11.2021

Personalmangel in der Ho/Ga-Branche

Einen großen Vorteil, den das Landhotel Rittersgrün hat, ist die familiäre Atmosphäre, welche Clara Wangemann (rechts) zu schätzen weiß. Die Auszubildende im 3. Lehrjahr möchte ihrem Ausbildungsbetrieb auch nach der Lehre die Treue halten, sehr zur Freude von Katja Bellmann, Leiterin für Marketing und Verkauf (Mitte), und Carolin Klemm, Assistentin der Geschäftsleitung. Insgesamt beschäftigt das Hotel vier Auszubildende, würde aber liebend gern noch ein bis zwei weitere Jugendliche auf ihrem Weg ins Berufsleben begleiten. (Hinweis d. Red.: Einhaltung der 3-G-Regel von allen Personen auf dem Foto). Foto: André Kaiser

Annaberg-Buchholz/ Rittersgrün. Ein außergewöhnliches Ausbildungsjahr ist zu Ende gegangen. Pandemie-bedingt mussten viele Hürden genommen und neue Wege beschritten werden. Nichts desto trotz kann das Ergebnis größtenteils als postiv bewertet werden, nicht zuletzt, weil nahezu allen jugendlichen Bewerbern auch ein Ausbildungsplatz vermittelt werden konnte. Katrin Steyer, operative Geschäftsführerin der Annaberger Arbeitsagentur: „Viele Jugendliche haben die guten Startchancen im Erzgebirge genutzt. Die Beteiligten am Ausbildungsmarkt waren auch in diesem Jahr durch die Auswirkungen der Pandemie besonders gefordert. Demnach haben sich im Laufe des Beratungsjahres viel weniger junge Menschen bei uns gemeldet als das üblich ist, weil die gewohnten Zugangswege beeinträchtigt waren und auch nicht durch digitale Angebote vollständig ersetzt werden konnten. Ein sinkendes Interesse an beruflicher Ausbildung leite ich aus dem Bewerberrückgang nicht ab. In einigen Berufen ist die Chance auf eine Ausbildungsstelle in der Region deutlich höher als in anderen. Während Jugendliche auf ein großes Ausbildungsstellenangebot im Bereich der Produktion und Fertigung zurückgreifen konnten, sind die Spuren bei den Ausbildungsofferten in der vom Lockdown betroffenen Berufsgruppe Handel, Tourismus und Hotel/Gaststättenwesen (Ho/Ga) sichtbar”.

Speziell im Ho/Ga-Bereich wird der Weg der Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung zunehmend steiniger. Eine allgemein gültige Formel, diesen künftig zu ebnen und Jugendliche von den Berufen in der Branche zu begeistern, scheint es nicht zu geben. Dazu haben auch die Pandemie und die damit verbundenen Eischränkungen und Verordnungen ihren Teil beigetragen. Vielerorts im Erzgebirgskreis suchen Hotels und Restaurants händeringend Personal.

Das Landhotel Rittersgrün beispielsweise, ein traditionell geführtes Hotel mit 27 Mitarbeitern, darunter vier Auszubildende, hat heute mehr denn je mit den Folgen des Lockdowns zu kämpfen. Katja Ballmann, Leiterin für Marketing und Verkauf, sowie die Assistentin der Geschäftsleitung Carolin Klemm berichten: “Zahlreiche Aktivitäten zur Azubi- und Mitarbeitergewinnung hat das Hotel unternommen. Durch die gute Zusammenarbeit mit regionalen Schulen lernen regelmäßig Schüler während der Praktika die verschiedenen Ausbildungsberufe bei uns kennen. Dass dies wieder möglich ist, darüber sind wir sehr froh. Obwohl im Hotel ein freundlicher, familiärer Teamgeist herrscht, haben während des langen Lockdown leider einige Mitarbeiter nicht nur das Hotel verlassen, sondern auch die Branche gewechselt. Glücklicherweise stehen einige weiterhin als Aushilfe zur Verfügung”. Viele Kollegen aus dem Ho/Ga-Gewerbe würden diesen Trend aus eigenen Erfahrungen heraus bestätigen.

Dennoch werden die Verantwortlichen des Traditionshotels in Rittersgrün nicht müde, weiterhin Anstrengungen zur Mitarbeitergewinnung und zur eigenen individuellen Ausrichtung zu unternehmen, um die Attraktivität des Landhotels als Arbeitgeber zu unterstreichen. So wurden beispielsweise per Oktober dieses Jahres die Löhne erhöht. Außerdem stünden dem Personal Getränke sowie Sonderleistungen, wie kostenfreie Massagen im hauseigenen Wellessbereich, zur Verfügung. Angenehme Nebeneffekte, die nicht selbstverständlich sind und den Angestellten ein Gefühl der Wertschätzung ihrer Arbeit und ihres Engagements für den Betrieb vermitteln.

Sicher ein guter Ansatz. Und dennoch gibt es keinen Königsweg für alle. Darüber sind sich die Netzwerkpartner von Arbeitsagentur, IHK und HWK einig. Die Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Regionalkammer Erzgebirge, Jana Dost: “Praktika bleiben für die Berufsorientierung das wichtigste Instrument. Da sagt keiner nein”. Speziell im Ho/Ga-Bereich, wo die IHK ein sattes Minus von 21 Prozent an Verträgen im vergangenen Ausbildungsjahr verzeichnete, müsse wieder die Attraktivität der Branche und der einzelnen Ausbildungsbetriebe herausgestellt werden. “Wir brauchen die künftigen Fachkräfte, nicht zuletzt, weil das Erzgebirge eine Tourismus-Region ist”, stellt Jana Dost klar. Steffen Böttcher sieht hingegen einen entscheidenden Faktor in der Erreichbarkeit der Ausbildungsstätten für Jugendliche. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Erzgebirge: “Ausbildungsstätten werden weiter zentralisiert und damit die Erreichbarkeit problematischer. Das ist für die Jugendlichen eine elementare Frage bei der Wahl des Ausbildungsberufes”. Erfreulich sei hingegen, dass im Bereich der HWK sich wieder mehr Abiturienten für eine Duale Ausbildung, anstelle eines Studiums, entscheiden würden.

Fazit: Nur wenn alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen, kann es gelingen, die Branche wieder auf Kurs zu bringen. Denn letztendlich ist es, wie Frank Uhlig vom Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur sagte, nicht mehr nur wie vor der Pandemie 5 vor 12, sondern mittlerweile Punkt 12.