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Artikel von: Sven Günther
25.01.2024

Sahras sächsische Saite

Sabine Zimmermann, die DGB-Chefin der Region Zwickau, war in der SPD, der LINKEN und kämpft jetzt für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in Sachsen. Foto: Uwe Meinhold

Sabine Zimmermann wechselte von der LINKEN zum BSW und sagt: Wir sehen es als historische Verantwortung, den Höhenflug der AfD zu stoppen

Zwickau. In ihr pulsiert Gewerkschafter-Blut, ihr Herz schlägt für die Arbeitnehmer. Sabine Zimmermann. 63. Geboren in Pasewalk. Baustoff-Technologin. Schon 1992 wechselte sie vom VEB Ziegelwerke Karl-Marx-Stadt zum DGB, wurde Chefin in der Region Vogtland-Zwickau. Bis 2005 war sie Mitglied der SPD, saß im sächsischen Landtag, zog dann für DIE LINKE in den Bundestag ein. Dort blieb sie bis 2021. Vor wenigen Wochen wechselte Sabine Zimmermann zum „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Die Wahl zur Landeschefin in Sachsen scheint folgerichtig, sodass die Gewerkschafterin in Sahras Orchester die sächsische Saite spielen und den Wahlkampf prägen wird.

Dem WochenENDspiegel gab sie folgendes Interview

WOCHENENDSPIEGEL: Sie waren ein Urgestein der LINKEN, sind Gewerkschafterin mit Leib und Seele. Warum der Wechsel zu Sahra Wagenknecht?

SABINE ZIMMERMANN: Die LINKE hat einen ganz anderen Weg eingeschlagen als es im Gründungskonsens von 2007 stand. Da waren Frieden und soziale Gerechtigkeit unsere Hauptthemen. Die Arbeitnehmer, Rentner standen im Mittelpunkt. Heute geht es nur noch um Gendern, Diversität und radikale Klimaforderungen, um grüner zu sein als die GRÜNEN. Diesen Weg wollte ich nicht mehr mitgehen. Für mich sind die Themen wichtig, die sich an den Alltagssorgen der Menschen orientieren, das mache ich als Politikerin und Gewerkschafterin. Meine Linie habe ich 30 Jahre nicht verlassen.

WOCHENENDSPIEGEL: Führt Ihre neue Partei nicht zu einer weiteren Zersplitterung und damit zu einer Schwächung der politischen Linken?

SABINE ZIMMERMANN: Es geht nicht um Zersplitterung, sondern um die Themen, die für die Menschen wichtig sind. Wir bekommen aus allen Teilen der Bevölkerung Zuspruch. „Es muss sich was verändern“ oder „So kann es nicht weitergehen“, sind die Sätze, die ich am meisten höre.

WOCHENENDSPIEGEL: Wie die AfD fischt das BSW im Becken der Unzufriedenen. Glauben Sie, dass ihnen in der sächsischen CDU viele Daumen gedrückt werden, damit sie zur Landtagswahl möglichst viele Stimmen bekommen und das BSW so die AfD als stärkste Partei verhindern?

SABINE ZIMMERMANN: Was die CDU denkt, ist hier unwichtig. Wir sehen es als historische Verantwortung, den Höhenflug der AfD zu stoppen. Es ist eine rechtsextreme Partei. Das hat zuletzt das Geschehen in Potsdam gezeigt. Es gibt viele Ähnlichkeiten bei der AfD zu 1933.

WOCHENENDSPIEGEL: Käme für das BSW eine Koalition mit der CDU infrage?

SABINE ZIMMERMANN: Wir machen erstmal unseren Wahlkampf und werden darüber am 2. September reden.

WOCHENENDSPIEGEL: Sie sagen, es müsse mehr Kompetenz in die Parlamente einziehen. Wie soll das umgesetzt werden?

SABINE ZIMMERMANN: Es muss das breite Spektrum der Gesellschaft in den Parlamenten vertreten sein. Von der Krankenschwester, über Handwerker, Betriebsrat und Unternehmer bis hin zu Kulturschaffenden, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Kompetenz ist verloren gegangen, weil nur die Nase wichtig ist. Ein Herbert Wehner oder Franz Josef Strauß würden heute in der Partei gar nicht mehr hochkommen, weil sie ihre Meinung konsequent vertreten haben. Unsere Politiker drehen leider je nach Wetterlage ihre Meinung.

WOCHENENDSPIEGEL: In ihrem Gründungsmanifest liest man, dass sie „marktbeherrschende Konzerne entflechten“ wollen. Das klingt a) nach kommunistischen Enteignungsfantasien und b) passt es nicht zu dem Satz „Die deutsche Industrie ist das Rückgrat unseres Wohlstands und muss erhalten bleiben“, der wenig später folgt. Können Sie mir diesen Widerspruch, wenn es denn einer ist, erklären?

SABINE ZIMMERMANN: Marktbeherrschende Unternehmen, die mangels Konkurrenz Preise diktieren können, schaden nicht nur Verbrauchern, sondern auch dem Markt, weil sie häufig kleinere, innovative Unternehmen vom Markt verdrängen.

In diesem Zusammenhang ist Entflechtung keine kommunistische Enteignungsfantasie, sondern eine im Rahmen des Kartellrechts immer wieder praktizierte Maßnahme (etwa bei Telekommunikation, Eisenbahn, Energie, Finanzwirtschaft), die Marktmacht solcher Unternehmen durch Aufspaltung in einzelne Geschäftsfelder zu begrenzen. Die Industrie besteht ja nicht nur aus Großunternehmen, sondern auch aus vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Dank ihrer Flexibilität und Innovationskraft ebenfalls wesentliches Rückgrat der deutschen Industrie sind.

WOCHENENDSPIEGEL: Sie schreiben, dass zu große wirtschaftliche Macht ein Marktversagen verursacht. Ist es nicht viel mehr die Einmischung durch den Staat, z.B. durch Fördermittel, die den Markt versagen lässt?

SABINE ZIMMERMANN: Welche negativen Entwicklungen ein Markt im Zuge von Konzentrationsprozessen ausgesetzt ist, lässt sich aktuell an der Entwicklung der Krankenhauslandschaft beobachten. Angesichts von Krankenhausschließungen und Ausdünnung der Versorgung stehen wir vor einem Marktversagen. Opfer sind dabei nicht die Großkrankenhäuser, es sind die kleinen, die schließen müssen. Natürlich trägt die staatliche Regulierung nicht unwesentlich zu diesem Prozess bei. Dass von Fördermitteln die Großen überproportional profitieren, hat aber mehr mit deren marktbeherrschender Stellung, als nur mit politischem Versagen zu tun. Es geht aber auch um die Gesundheitsversorgung vor Ort, die immer schlechter wird. Das Geld muss anders verteilt werden. Statt das Geld für Waffen und Aufrüstung einzusetzen, sollte es lieber in Bildung, Gesundheitswesen, Erhalt und Ausbau der Infrastruktur investiert werden. „Es sterben immer mehr unschuldige Menschen durch die vielen Kriege auf der Welt. Das muss ein Ende haben.“

WOCHENENDSPIEGEL: Erlauben Sie mir eine letzte Frage: Ihre Zustandsbeschreibung, nach der die Infrastruktur offline und online schlecht ist, Lehrer und Polizisten fehlen, Bürokratie abgebaut und das Schulsystem überholt werden muss etc. etc. deckt sich mit der Kritik anderer Parteien. Umgesetzt wurde bislang nichts. WIE wollen sie das jetzt schaffen?

SABINE ZIMMERMANN: Genau das ist der Unterschied von BSW zu den anderen Parteien, es wird viel geredet und nicht gehandelt. Das Geld muss anders verteilt werden.