Start Schüler nerven Gundula Schubert (SPD)
Artikel von: Sven Günther
24.09.2021

Schüler nerven Gundula Schubert (SPD)

Klartext, Frau Schubert

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten, hier meine E-Mail:

Hier antwortet Gundula Schubert, Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis 165 (Zwickau) und Landesliste Platz 10.

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Dankeschön, dass Sie meine Reden als wohlklingend wahrgenommen haben. So viele waren es ja noch nicht. Für meinen Wahlkreis werde ich mich in Berlin gemeinsam mit dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion dafür stark machen, dass Zwickau wieder ans Fernbahnnetz angeschlossen wird.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Wenn junge Schülerinnen und Schüler sich noch nicht für Politik interessieren, dann kann es daran liegen, dass sie noch keine Berührungspunkte damit hatten. Deswegen finde ich Schülermitbestimmung in Schulen und Jugendbeiräte in Kommunalparlamenten so wichtig und deswegen machen wir Sozialdemokraten uns auch stark für die Absenkung des Wahlalters auf 16.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Die Bildung wird auf Landesebene organisiert. Hier sind wir Sozialdemokraten stolz darauf, dass wir endlich die Gemeinschaftsschule ermöglichen konnten. Ich selbst gehörte allerdings noch keinem Parlament an. Als SPD-Wählerin habe ich das CDU-Handeln im Bildungsbereich “zugelassen”, weil die CDU nun mal die gewählte Regierungsverantwortung in den entscheidenden Jahren hatte. Ich halte mich an Recht und Gesetz und greife nicht zu anderen als den gesetzlichen Möglichkeiten (das Wahlrecht), um Regierungshandeln zu beeinflussen.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Die Politikerinnen und Politiker in den Stadt- und Gemeinderäten und Kreistagen machen ihre verantwortungsvolle Arbeit ehrenamtlich neben der Erwerbsarbeit und neben den Aufgaben in der Familie und in weiteren Ehrenämtern wie Vereinsvorständen, Gewerkschaften etc. Sie erhalten dafür eine überschaubare Aufwandsentschädigung als Anerkennung.

Als Abgeordnete sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Ich bin in der glücklichen Lage, in einer sehr basisdemokratischen Partei zu sein, in der wir tatsächlich eine Vielfalt von Positionen nebeneinander stehen lassen. Wir ringen untereinander um die der Sache dienlichsten Antworten. Hinter unserem Zukunftsprogramm für Deutschland stehe ich voll und ganz. Es wurde in einem breiten Beteiligungsprozess von Sozialdemokrat*innen aus ganz Deutschland gemeinsam mit unserem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz geschrieben.

Ihre Partei hat es fertiggebracht, die Zahl Ihrer Wähler seit der Wende zu halbieren. Es ist der Niedergang der Sozialdemokratie. Wie wollen Sie den Trend umkehren?

Wir sprechen wieder mehr über unser sozialdemokratisches Programm und über unsere guten Ideen für Deutschlands Zukunft.

Wenn Sie 100 Menschen fragen, welchen SPD-Bundespolitiker sie kennen, was glauben Sie, wie viele Namen Sie zu hören bekommen? Selbst das SPD-Programm wird ausschließliche von Kanzlerkandidat Olaf Scholz verkörpert und präsentiert. Warum kennt keiner mehr die Genossen?

Da bin ich überfragt. Die Studie, die belegt, dass “keiner” mehr die Genossen kenne, ist mir nicht geläufig.

Im Wahlprogramm von Olaf Scholz steht, dass noch in diesem Jahrzehnt in Führungspositionen genauso viele Frauen wie Männer arbeiten. Wollen Sie das staatlich anordnen und wie wird sich eine “Quoten-Chefin” fühlen, die dann fachlich kompetentere Untergebene führen soll?

Tatsächlich sind wir für Quoten. Rund 51 % der Menschen sind Frauen. Daher sollte auch die Hälfte der Führungskräfte weiblich sein. Wie sich ein Chef fühlt, der eine kompetentere Frau führen soll, wird selten gefragt, ist aber tatsächlich das persönliche Problem der fehlbesetzten Führungskraft. Das wird sicherlich ab und zu vorkommen. Diese Erforschung der Gefühle von Führungskräften wäre, falls sie von breiterem Interesse wäre, eine Aufgabe für Soziologinnen und Soziologen.

Beim Kindergeld soll der Maßstab gelten: Je größer der Unterstützungsbedarf der Familie, desto höher das Kindergeld. Setzen Sie da nicht ein völlig falsches Signal?

Nein.

Sie wollen pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen, von denen 100.000 öffentlich gefördert werden. Woher sollen die Bauarbeiter dafür kommen, wenn doch jetzt schon der Mörtel nicht mehr angerührt wird?

Die Fachkräftegewinnung ist tatsächlich eine unserer drängendsten Aufgaben für Deutschland. Mit einem Recht auf Berufsausbildung und dem Recht auf Weiterbildung werden wir sie anpacken. In Anbetracht unserer demographischen Entwicklung sind wir auch dringend auf Zuwanderung angewiesen. Dass “der Mörtel schon jetzt nicht mehr angeührt” werde, halte ich für eine unberechtigte Diskreditierung unseres sehr fleißigen und derzeit voll ausgebuchten Baugewerbes.