Start Vogtland Schüler nerven Kay Burmeister (SPD)
Artikel von: Sven Günther
17.09.2021

Schüler nerven Kay Burmeister (SPD)

Kay Burmeister der für die SPD im Wahlkreis 166 (Vogtland) antritt. FOTO: privat

Klartext, Herr Burmeister

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten meine E-Mail:

Hier antwortet Kay Burmeister der für die SPD im Wahlkreis 166 (Vogtland) antritt

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Ich will Einzelhandel, Kultur, Gastronomie und Tourismus gezielt unterstützen. Diese Bereiche sind wichtig für unser Vogtland und bieten jungen Menschen vielfältige berufliche Möglichkeiten. Ich will die Digitalisierung schneller voranbringen. Alle Haushalte, Schulen, Unternehmen und Verwaltungen brauchen schnellstens einen Breitbandanschluss. Insbesondere die technische Ausstattung der Schulen muss sofort verbessert werden. Ich will den Klimaschutz sozialverträglich gestalten. Wohnen, Heizen und Mobilität sind Grundbedürfnisse. Dafür müssen klimafreundliche Alternativen allen Menschen zur Verfügung stehen und auch für alle bezahlbar sein.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Diese Annahme deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen. Die Schüler, die ich kenne, sind bei politischen Themen wissbegierig und diskussionsfreudig. Dieses Interesse möchte ich unbedingt unterstützen. Eine gute Möglichkeit ist hier die Einrichtung von Schülerparlamenten.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Ich habe gar nichts zugelassen, denn ich war bis jetzt noch nie Abgeordneter. Außerdem muss man hier deutlich unterscheiden. Die Rüstungsindustrie unterliegt den Regeln der Marktwirtschaft. Der Bundestag kontrolliert lediglich die Rüstungsexporte. Hier würde ich mich im Falle meiner Wahl dafür einsetzen, keine Rüstungsexporte in Krisenregionen zuzulassen. Die Bildung hingegen wird aus Steuergeldern finanziert und ist Aufgabe des Freistaates Sachsen. Als Abgeordneter würde ich mich dafür einsetzen, dass der Bund auch künftig Investitionen in Schulen fördert, besonders bei der Sanierung und digitalen Ausstattung von Schulgebäuden oder mit einem Bundesprogramm zur Schulsozialarbeit.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, dass die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Aktuell liegt das Durchschnittseinkommen im Vogtland bei 2.419 Euro monatlich. Ein Bundestagabgeordneter erhält mehr als das vierfache an Monatseinkommen. Ich finde nicht, dass das zu wenig ist. Viel wichtiger ist für mich, dafür zu sorgen, dass alle arbeitenden Menschen von ihrem Lohn leben können. Deshalb setze ich mich für die Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro pro Stunde ein.

 

Ihre Partei hat es fertiggebracht, die Zahl Ihrer Wähler seit der Wende zu halbieren. Es ist der Niedergang der Sozialdemokratie. Wie wollen Sie den Trend umkehren?

Was wir momentan in den Wahlumfragen erleben ist alles andere als der Niedergang der Sozialdemokratie. Das ist die Trendumkehr. Die Menschen erkennen an, dass die Sozialdemokratie soziale Sicherheit und Klimaschutz in gleichem Maße gewährleisten kann. Im Übrigen lässt sich die heutige Parteienlandschaft nicht mit der von vor 30 Jahren vergleichen.

Wenn Sie 100 Menschen fragen, welchen SPD-Bundespolitiker sie kennen, was glauben Sie, wie viele Namen Sie zu hören bekommen? Selbst das SPD-Programm wird ausschließliche von Kanzlerkandidat Olaf Scholz verkörpert und präsentiert. Warum kennt keiner mehr die Genossen?

Ich habe den Versuch gewagt! Folgende Namen wurden mir genannt: Olaf Scholz, Saskia Esken, Karl Lauterbach, Christine Lambrecht, Lars Klingbeil und Hubertus Heil. Wer sich für Politik interessiert, in seriösen Quellen informiert und mit aktuellen Themen der Gesellschaft auseinandersetzt, kennt auch führende SPD-PolitikerInnen.

Im Wahlprogramm von Olaf Scholz steht, dass noch in diesem Jahrzehnt in Führungspositionen genauso viele Frauen wie Männer arbeiten. Wollen Sie das staatlich anordnen und wie wird sich eine “Quoten-Chefin” fühlen, die dann fachlich kompetentere Untergebene führen soll?

Das Grundgesetz garantiert im Artikel 3 die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Leider ist diese Gleichberechtigung noch immer nicht selbstverständlich. Das zeigt sich nicht zuletzt am Gehalt. Obwohl junge Frauen an Gymnasien, Hochschulen und Universitäten in der Mehrheit sind, werden sie bei der Vergabe von Führungspositionen noch immer benachteiligt. Deshalb sollten bei gleicher Eignung Frauen bevorzugt Zugang zu solchen Anstellungen erhalten. Gleiche Eignung bedeutet dabei, dass sie mindestens die gleichen Bildungsabschlüsse und Berufserfahrungen wie ihre männlichen Kollegen haben.

Beim Kindergeld soll der Maßstab gelten: Je größer der Unterstützungsbedarf der Familie, desto höher das Kindergeld. Setzen Sie da nicht ein völlig falsches Signal?

Gegenwärtig erhalten reiche Eltern mehr Geld für Ihre Kinder als Durchschnittsverdienende. Das ist für mich das völlig falsche Signal! Deshalb will ich eine Kindergrundsicherung. Sie soll alle bisherigen Leistungen bündeln und das Existenzminimum eines jeden Kindes sicherstellen. Deshalb muss gelten: Je größer der Unterstützungsbedarf, desto höher das Kindergeld.

Sie wollen pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen, von denen 100.000 öffentlich gefördert werden. Woher sollen die Bauarbeiter dafür kommen, wenn doch jetzt schon der Mörtel nicht mehr angerührt wird?

Der Wohnungsmangel ist ein Problem großer Städte. Bei uns im Vogtland ist die Herausforderung eine ganz andere. Wir haben hunderte leerstehende Wohnungen. Deshalb brauchen wir staatliche Förderung, um diese Wohnungen so zu sanieren, dass sie attraktiv, energiesparend und behindertengerecht werden.