Start Erzgebirge Statistik: Wir arbeiten 3,88 Stunden pro Tag!
Artikel von: Sven Günther
21.12.2018

Statistik: Wir arbeiten 3,88 Stunden pro Tag!

Die neuen Zahlen des Statistischen Landesamt belegen: Sachsen arbeiten mehr als der Durchschnitt der Bundesbürger. 1417 Stunden Pro-Kopf-Arbeitszeit. Allerdings: Das sind nur 3,88 Stunden pro Tag. Symbolbild pixabay.com

Pro-Kopf-Arbeitszeit oder Kästners kapitaler Irrtum

Von Sven Günther
Region. Beginnen wir mit Kästner. Erich. Intellektueller. Pazifist. Kritischer Zeitgeist. Geboren 1899 in Dresden, gestorben 1974 in München. Berühmt durch die Kinderbücher “Emil und die Detektive (1929)”, “Das fliegende Klassenzimmer (1933)” und “Das doppelte Lottchen (1949)”. Bekannt als spitzfedriger Schriftsteller. Von ihm stammt das Zitat: “Arbeit muss es quasi geben, denn der Mensch besteht aus Bauch. Arbeit ist das halbe Leben, und die andre Hälfte auch.”

Arbeit ist das halbe Leben!?

Nein, sagen jetzt die Ausrechner des Statistischen Landesamtes in Kamenz und beweisen Kästners Irrtum mit einer Zahl: 1417 Stunden hat jeder Erwerbstätige in Sachsen im Jahr 2017 mit Arbeit verbracht. Das sind 27,25 Stunden in der Woche oder 3,88 Stunden pro Tag.
UND: 38 Stunden weniger als noch vor acht Jahren. Der Grund: 2010 gab es 312.093 Teilzeitbeschäftigte, 2017 waren es 467.434.

Fest steht: Urlaub, Feiertage, Wochenenden und tägliche Freizeit nehmen fast das ganze Leben ein! Dabei sind die Sachsen noch fleißig, liegen über dem Bundesschnitt von 1360 Stunden. Die meisten Stunden schrubben die Thüringer (1435), die wenigsten die Saarländer mit 1320.

Schaut man auf Europa und die Welt, sind wir am Ende. In der EU verbringen die Griechen 2018 Stunden mit Arbeit. Rekord. Polen (1895), Lettland (1875) und Portugal (1863) folgen. Weltweit schuften die Mexikaner mit 2246 Stunden am meisten. Dahinter rangieren Costa Rica (2230) und Korea (2113).

Zahlen, die an ein anderes geflügeltes Wort denken lassen: “Entscheidend ist, was hinten rauskommt”. So charakterisierte Helmut Kohl 1884 seinen Regierungsstil.

Betrachtet man die Ergebnisse der Arbeit (BIP je Stunde), erkennt man, dass viel nicht viel hilft. In Mexiko werden in einer Stunde nur Werte für 19 Euro erwirtschaftet. In Deutschland sind es 54,42 Euro!

Hier gibt es innerhalb der Bundesrepublik deutliche Unterschiede von 40,32 Euro in Mecklenburg-Vorpommern bis 67,93 Euro in Hamburg. Sachsen liegt bei 41,98 Euro, Thüringen bei 41,23 Euro. In Baden-Württemberg sind es 58,27 Euro und Bayern bei 58,09 Euro, die in der Arbeitsstunde erwirtschaftet werden.

Fauler als im Westen?

Wie kann das sein? Drehen Ossis auf Arbeit Daumen, während im Westen geschwitzt wird? Prof. Dr. Joachim Ragnitz (54), stellvertretender Leiter des ifo-Instituts Dresden, erklärt: “In HH/BW und anderswo in Westdeutschland gibt es große Unternehmen, die höhere Preise durchsetzen können, während in Ostdeutschland häufig eher kleine Unternehmen dominieren, die den Preis als Wettbewerbsparameter einsetzen und auch können, weil sie ja niedrigere Arbeitskosten haben.”

Eine weitere Erklärung des Experten: “In HH/BW haben wir eher die hochproduktiven Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor (HH) bzw. aus dem Automobilbau (BW), während in NBL häufig eher ‘traditionelle’ Branchen angesiedelt sind, die gemeinhin eine niedrigere Bruttowertschöpfung je Einheit Arbeitskraft aufweisen.”

Eine Wahrheit bleibt: Auf dem Bau schwitzt man mehr als im Büro! Mit 1635 Stunden hatte die Baubranche die längste Pro-Kopf-Arbeitszeit, die Bereiche Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister mit 1 360 Stunden die kürzeste.

Nachdenkeswertes in Sachen Arbeit

Die Lobredner der Arbeit. — Bei der Verherrlichung der “Arbeit”, bei dem unermüdlichen Reden vom “Segen der Arbeit” sehe ich denselben Hintergedanken, wie bei dem Lobe der gemeinnützigen unpersönlichen Handlungen: den der Furcht vor allem Individuellen.

Im Grunde fühlt man jetzt, beim Anblick der Arbeit — man meint immer dabei jene harte Arbeitsamkeit von früh bis spät —, dass eine solche Arbeit die beste Polizei ist, dass sie jeden im Zaume hält und die Entwickelung der Vernunft, der Begehrlichkeit, des Unabhängigkeitsgelüstes kräftig zu hindern versteht. Denn sie verbraucht außerordentlich viel Nervenkraft und entzieht dieselbe dem Nachdenken, Grübeln, Träumen, Sorgen, Lieben, Hassen, sie stellt ein kleines Ziel immer ins Auge und gewährt leichte und regelmäßige Befriedigungen.

So wird eine Gesellschaft, in welcher fortwährend hart gearbeitet wird, mehr Sicherheit haben: und die Sicherheit betet man jetzt als die oberste Gottheit an. — Und nun! Entsetzen! Gerade der “Arbeiter” ist gefährlich geworden! Es wimmelt von “gefährlichen Individuen”! Und hinter ihnen die Gefahr der Gefahren — Das individuum!
Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900), Philosoph.

Wo man arbeitet, da ist Gewinn; wo man aber nur mit Worten umgeht, da ist Mangel.
AT, Sprüche 14,23

Aus dem Wort “Fortschritt” hören die meisten Menschen “weniger Arbeit” heraus.
Thomas Niederreuther (1909-1990), deutscher Kaufmann, Maler und Schriftsteller

Wenn jemand dir sagt, er sei durch harte Arbeit reich geworden, frag ihn, durch wessen Arbeit.
Donald Marquis (1878-1937), US-amerikanischer Schriftsteller

Man wird eher buckelig als reich durch die Arbeit.
russisches Sprichwort

Ohne Arbeit gelangt man nicht zur Ruhe und ohne Kampf nicht zum Siege.
Thomas von Kempen (1379/80-1471), holländischer Augustinermönch und Prediger

Tages Arbeit! Abends Gäste! Saure Wochen! Frohe Feste!
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), deutscher Dichter

Der Mensch muss sich aber hüten, durch zu viel Arbeit seinen Leib zu töten.
Hildegard von Bingen (1098-1179), deutsche Äbtissin und Naturwissenschaftlerin, Mystikerin, Heilige

Als Heilmittel gegen Sorge ist Arbeit besser als Whiskey.
Ralph Waldo Emerson (1803-1882), amerikanischer Essayist, Dichter und Philosoph

Welch schrecklicher Irrglaube unserer Welt, Arbeit und Mühe seien eine Tugend. Durchaus nicht, eher ein Laster, denn Christus hat auch nicht gearbeitet.
Leo Tolstoi (1828-1910), russischer Dichter

*gefunden auf http://www.glaube-und-kirche.de/zab_zitate_rund_um_arbeit_und_beruf.htm#Arbeit_und_Lebenssinn