Start Vogtland Streng geheim!
Artikel von: Sven Günther
16.08.2022

Streng geheim!

Blaue Aufkleber auf den Kameras verhinderten, dass unberechtigt Fotos gemacht werden.

Wie von Geisterhand…

Von Sven Günther
Sokolov. Die Damen lächelten freundlich und sagten dann doch mit dem notwendigen Ernst: „Ihr Handy bitte. Auf dem Gelände ist fotografieren verboten.“ Sekunden später hatte ich mein LG Velvet wieder in den Händen – versehen mit blauen Aufklebern auf den Kameras. Nix war es mit eigenen Aufnahmen vom 300-Millionen-Euro-Projekt, das BMW irgendwo ins Nirgendwo bei Sokolov baut. Das Gelände? Eine Mondlandschaft beim pittoresken Örtchen Dolni Nivy. Raupen rasseln, Laster lärmen. Es riecht nach frischem Asphalt. Bauarbeiter rufen sich auf Tschechisch Kommandos zu. Dass hier die Zukunft an der autonomen Mobilität geforscht wird, erahnt man erst, wenn man die als Erlkönige getarnten BMW Modelle lautlos über den Asphalt rollen sieht.

Skeptischer Blick. WochenENDspiegel-Chefredakteur Sven Günther staunt über die im Serien-Siebener verbaute Sicherheitstechnik.

„Mit der vorzeitigen Nutzung zweier Streckenabschnitte erproben wir jetzt in Sokolov bereits neue Assistenzsysteme unter dem Aspekt der Fahrsicherheit und treiben die Weiterentwicklung der Testszenarien voran. Ab Mitte 2023 wird das neue Testgelände in der Tschechischen Republik die vorhandenen Erprobungsflächen von BMW in Aschheim bei München, Miramas in Frankreich und Arjeplog in Schweden ideal ergänzen“, erläutert Andreas Heb, BMW Projektleiter des Testgeländes in Sokolov.

Die Autobahn ist frei. Der 7er E-BMW gleitet über den schwarzen Asphalt. Tempo 150. Entspanntes Fahren. Keine Probleme in Sicht. Den langsameren 3er BMW kann man locker überholen. Blinker. Ausscheren. NEIN! Wie von Geisterhand dreht sich das Lenkrad wieder nach rechts und der Testpilot lächelt, sagt: „Der Wagen hat erkannt, dass er gerade selbst überholt wird, steuert automatisch gegen, um einen Unfall zu vermeiden.“ Er musste nicht einmal selbst lenken. Beeindruckend. Kameras rundherum in der Karosserie verbaut, erkennen Hindernisse, geben Signale, wenn der PKW droht, die Fahrbahn zu verlassen oder gebremst werden muss.

Das ist die Technik, an der BMW auf dem neuen Testgelände bei Sokolov forscht, obwohl die meisten Elemente schon in den Serienfahrzeugen verbaut werden. Mit der vorzeitigen Nutzung zweier Streckenabschnitte entwickelt
BMW die Testszenarien für neue Assistenzsysteme zum autonomen Fahren weiter. Exklusive Testläufe mit Prototypen auf sechs Kilometer langem, autobahnähnlichem Rundkurs fanden statt.

Am neuen Erprobungsstandort wird BMW zukunftsweisende Themen wie Elektrifizierung, Digitalisierung und automatisiertes Fahren weiter vorantreiben.

Irgendwo im Nirgendwo bei Sokolov baut BMW für 300 Millionen Euro ein neues Testzentrum. Fotos: BMW

Mit der Vorstellung der beiden Teststrecken und einem exklusiven Einblick in die Erprobung, präsentierte BMW erste Ergebnisse des 300 Millionen Euro umfassenden Investments in Sokolov. Die vollständige Inbetriebnahme des Testbetriebs ist für Mitte 2023 mit mehr als 100 Mitarbeitern vor Ort geplant. Auf der New Technology Area, einer ca. 90.000 Quadratmeter großen homologationsfähigen Fläche mit drei getrennten Anlaufspuren, lassen sich Assistenzsysteme und das Verhalten bei Querverkehr sowie Notbrems- und Ausweichsituationen optimal testen.

Mit der vorzeitigen Nutzung in direkter Nachbarschaft zur New Technology Area befindet sich der sechs Kilometer lange Autonomous Driving Highway, ein autobahnähnlicher Rundkurs mit Auf-und Abfahrtsszenarien, für die Erprobung von autonomen Fahrzeugen auf Autobahnen. Der Test-Highway wurde mit zwei Funktionsspuren und einer Nothaltespur sowie Schilderbrücken und einer mehr als 1000 Meter langen Geraden realitätsnah ausgestattet.
„Der erste Entwicklungsstandort der BMW Group in Mitteleuropa eröffnet neue Möglichkeiten. Sokolov bietet ideale Bedingungen und die geeigneten Flächen für den Ausbau unserer Erprobungsstandorte. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Grundstückseigentümer Sokolovská uhelná sowie allen politischen Vertretern, bestätigt uns in unserem Entschluss für den neuen Standort“, sagt Robert Thurner, BMW Leiter Immobilienmanagement Region Europa, Naher Osten.

Das erste Testfeld ist bereits fertig, wird schon jetzt genutzt.