Start Zwickau „Vergangenheit ist noch lange nicht vergangen“
Artikel von: Uwe Wolf
12.11.2015

„Vergangenheit ist noch lange nicht vergangen“

Meerane. Die Stadt Meerane lädt am 19. November 2015, um 18:30 Uhr, alle zu einer Gedenkstunde in das ehemalige Amtsgericht Meerane, Amtsstraße 5 ein. Mit dieser Gedenkstunde, verbunden mit einer Ausstellung und der Enthüllung einer Gedenktafel, wird an die 1945 inhaftierten und in das sowjetische Speziallager Mühlberg und nach Sibirien verschleppten Jugendlichen aus Meerane erinnert.

Johannes Groschwitz, der bereits die Ausstellung „DDR-Geschichte Meerane – Einblicke in die Zeit 1968–1976“ erarbeitete, hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit diesem Thema beschäftigt, recherchiert und eine Ausstellung zusammengestellt. Viele Gespräche hat er mit dem Zeitzeugen Werner Keller aus Meerane geführt. Werner Keller ist einer der damaligen Jugendlichen, die nach Sibirien verschleppt wurden. Erst 1950 ist er nach Meerane zurückgekehrt.
Johannes Groschwitz: „Die Stadt Meerane dankt Herrn Keller für das Zeitzeugengespräch und die Bereitstellung von privaten Dokumenten und Bildern ganz herzlich. Ohne seine Unterstützung hätte dieses Thema nicht aufgearbeitet werden können!“

Zu den damaligen Ereignissen erklärt Johannes Groschwitz: „Die Stadt Meerane wurde am 1. Juli 1945 entsprechend alliierter Vereinbarungen durch die Rote Armee besetzt. Unmittelbar danach kam es im Rahmen von ‚Säuberungsaktionen‘ zu Verhaftungen. Betroffen davon waren auch elf Jugendliche, die vom NKWD, der sowjetischen Geheimpolizei, als so genannte ‚Werwölfe‘ festgenommen wurden. Die jungen Männer waren zunächst im Meeraner Amtsgericht inhaftiert und wurden später über verschiedene Haftanstalten ins Speziallager Mühlberg verschleppt. Für fünf von ihnen ging es noch weiter bis in sowjetische Zwangsarbeitslager nach Sibirien.

Die sogenannten ‚Werwölfe‘ waren von den Nationalsozialisten in den letzten Kriegsmonaten gedacht als ‚Nationalsozialistische Untergrundbewegung‘, die im Hinterland der von den Alliierten befreiten Gebiete Anschläge verüben sollte. ‚Werwölfe‘ hat es nach Auswertung von Dokumenten in Meerane nie gegeben. Richtig wäre daher ‚Werwolfverdacht‘ als Verhaftungsgrund für die Jugendlichen gewesen.

Keiner der Meeraner Jugendlichen, wie auch zehntausende anderer ihrer Leidensgenossen, sind jemals durch die sowjetische Staats- bzw. Militärjustiz angeklagt und verurteilt worden. Dem Erinnern an diese Willkürmaßnahme und dem damit im Zusammenhang stehenden stalinistischen Unrecht ist diese Gedenkstunde gewidmet.“

Anlässlich der Gedenkstunde wird eine Ausstellung zu sehen sein. Dabei gibt es Informationen über folgende Themenkomplexe: Eine fast unbekannte Meeraner Geschichte, die Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone, das Speziallager Mühlberg, der Pelzmützentransport, die Geschichte der Inhaftierung und Verschleppung des Meeraner Bürgers Werner Keller und Gedenken und Erinnern. hh/uw