Start Zwickau Welche Probleme das neue E-Rezept mit sich bringt
Artikel von: Sven Günther
18.01.2024

Welche Probleme das neue E-Rezept mit sich bringt

Diese Rezeptsammelboxen werden z.B. von der Werdauer Flora-Apotheke kostenlos angeboten. Um den Service nutzen zu können, müssen die Patienten sich das E-Rezept in der Arztpraxis ausdrucken lassen, worauf sie ein Anrecht besitzen. Foto: Kathrin Strauß

Theorie und Praxis

Region. Seit dem 1. Januar 2024 ist die Nutzung des E-Rezepts für verschreibungspflichtige Medikamente verpflichtend. Für Patientinnen und Patienten bedeutet die Umstellung mehr Komfort und weniger Wege in die Arztpraxis. Vor allem durch die einfache Einlösung bei der Apotheke über drei Möglichkeiten: Einlösung per eGK, App oder mit dem Papierausdruck.

Wenn Apotheker Volker Hoff aus Werdau die Erklärung des Bundesministeriums für Gesundheit liest, schüttelt er den Kopf. „Gut gedacht ist noch lange nicht gut gemacht“, sagt er und erklärt: „Es gibt noch einige Probleme, die gelöst werden müssen. Wenigstens funktioniert die Software einigermaßen.“ Einigermaßen heißt aber auch: Die Technik ist nicht zu 100 Prozent fehlerfrei. Volker Hoff: „Bei der Techniker Krankenkasse war die App einige Tage ausgefallen und der Newsletter von GEMATIK, der nationale Agentur für digitale Medizin, bringt täglich fünf bis sechs Fehlermeldungen.“ Doch das ist nicht der Hauptkritikpunkt.

Senioren- und Pflegeheime sind derzeit ein Problem

Die größten Probleme gibt es laut Hoff in Senioren- und Pflegeheimen. „Dort konnten bisher die Rezepte in Papierform gesammelt und mit ihnen zur Apotheke gegangen werden. Mit dem E-Rezept per elektronischer Gesundheitskarte ist das nicht mehr möglich, weil jedes Rezept mit der entsprechenden Karte für jeden Patienten eingelöst werden muss“, erklärt Volker Hoff. „Ein riesiger Aufwand, den auch Pflegedienste haben.“ So greift man hier darauf zurück, sich die Rezepte ausdrucken zu lassen. Erst Mitte 2025 sollen die Heime und Pflegedienste an das E-Rezept-System angeschlossen werden.

Dazu kommt, dass das E-Rezept noch nicht für alle ärztlichen Verordnungen genutzt werden kann. So gibt es T-Rezepte (Arzneimittel mit den Wirkstoffen Lenalidomid, Pomalidomid- und Thalidomid), Verordnungen von Hilfsmittel oder Verbandsmitteln, die nur in Papierform ausgestellt werden dürfen.

Rezeptsammelstellen sind derzeit ebenfalls noch problematisch

Ein weiteres Problem sieht er in Orten, die keine Apotheke aber einen Arzt haben. Hier haben sich über Jahre Rezeptsammelstellen in Form von Apothekenbriefkästen eingebürgert, die von den Apotheken-Mitarbeitern geleert wurden. Die Medikamente wurden dann zu den Patienten gebracht oder geschickt. Auch das ist jetzt nur noch möglich, wenn die Arztpraxis das Rezept extra ausdruckt.

Das E-Rezept birgt auch eine Gefahr in sich. Volker Hoff: „Die Patienten sehen nicht mehr, welche Medikamente verschrieben werden. Gerade ältere Menschen, die ein Mittel schon lange nehmen, hatten immer wieder auf die Rezepte geschaut, manche Fehlausstellung entdeckt. Das ist nicht mehr möglich und ein zusätzlicher Sicherheitsaspekt fällt weg.“ Auch die Tatsache, dass das neue System am 1. Januar eingeführt wurde, sieht er kritisch. Der Apotheker: „Gerade jetzt, wo das Jahr und das Quartal neu beginnen, die Praxen voller Patienten mit Atemwegserkrankungen sind, müssen sich Ärzte und Schwester an das E-Rezept gewöhnen. Am Anfang des Jahres und Quartals kommen Patienten auch in die Praxen, um sich Überweisungsscheine für Facharztpraxen oder Physio-/Ergotherapien für das neue Quartal abzuholen und die Chipkarten einmal im Quartal einlesen zu lassen. Es wäre besser gewesen, die Einführung im Sommer vorzunehmen.“