Start Erzgebirge Zwischen Freude und Abstand
Artikel von: Andre Kaiser
11.12.2020

Zwischen Freude und Abstand

An Kurzarbeit ist für den Weihnachtsmann (Till Schwabe) trotz Lockdown im Moment nicht zu denken. Am 3. Advent will der bärtige Geselle die Kinder auf dem Annaberger Marktplatz beschenken. Fotos: der Weihnachtsmann, André Kaiser

Annaberg-Buchholz. Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Schulen, Kitas und Horte dicht, der Einzelhandel auf ein absolutes Minimum reduziert. Seit den verschärften Maßnahmen der Landesregierung letzten Montag liegt der Freistaat wieder im Dornröschenschlaf. Leer gefegte Straßen, Homeoffice und Kindernotbetreuung. Das Land müsse zur Ruhe kommen, sagte Ministerpräsiden Michael Kretschmer. Mit dem harten Lockdown bis zum 10. Januar 2021 hofft er auf eine Entspannung in den sächsischen Krankenhäusern, auf Entlastung des dortigen Personals und auf einen deutlichen Rückgang des Infektionsgeschehens im Freistaat.

Während sich die meisten daran halten und einige gegen die Maßnahmen schimpfen, ist es speziell für einen momentan äußerst schwer, die Verordnungen einzuhalten – der Weihnachtsmann (Till Schwabe). In den vergangenen Jahren beschenkte er immer an Heiligabend am Schutzteich in Annaberg-Buchholz die lieben Kinder. „Dies ist in diesem Jahr leider nicht möglich. Dennoch sollen die Kleinen und ihre Eltern wissen, dass ich auch in dieser schwierigen Zeit für sie da bin. Daher habe ich gemeinsam mit meinen fleißigen Helfern am Schutzteich vor meiner bescheidenen Behausung einen Weihnachtsbaum geschmückt. Außerdem werde ich am Sonntag, dem 3. Advent ab 14 Uhr in der Annaberger Innenstadt im Marktbereich meine Runden drehen und kleine Geschenke verteilen“, so der bärtige Geselle, der es vor allem an Heiligabend besonders schwer haben wird. Muss er doch irgendwie einerseits die Kinder beschenken und glücklich machen, andererseits sich an Regeln und Kontaktbeschränkungen halten. Wie er diesen Spagat zwischen Freude und Abstand hin bekommen will, verriet er uns in einem vertraulichen Gespräch, welches wir mit ihm natürlich unter strenger Einhaltung der Hygieneregeln führten…

Lockdown, Quarantäne, Wunder
Das sagt der Weihnachtsmann

WochenENDspiegel: Lieber guter Weihnachtsmann. Du hast dich das ganze Jahr auf diesen einen Tag vorbereitet, hast mit Deinen Wichteln Geschenke gepackt, den Rentierschlitten flott gemacht, bist praktisch monatelang auf diesen 24. Dezember fokusiert gewesen. Und plötzlich ist der Lockdown da. Wie bitter ist das für Dich?
Der Weihnachtsmann: Nun. glücklicherweise ist mein Job systemrelevant. Denn es wäre nicht abzusehen, welche psychischen Schäden Kinder davon tragen würden, wenn ich einmal nicht bei ihnen an Weihnachten an die Tür klopfe. Daher kann ich alle beruhigen: Weihnachten findet auch in diesem Jahr mit mir statt. Allerdings habe auch ich Auflagen von der ‚Regierung‘ bekommen. Die Kinder dürfen nicht auf meinen Schoß. Zu den Großeltern muss ich drei Meter Abstand halten. Alkoholische Getränke darf ich von den Eltern nicht annehmen, Geschenke nur mit Handschuhen verteilen und so weiter. Mein Weihnachtsengel ist da gnadenlos. Sicherheit und Gesundheit gehen halt vor.

WochenENDspiegel: Und wie regelst Du das mit der 15-Kilometer-Begrenzung und den Übertritt in andere Länder?
Der Weihnachtsmann: Nun ja. Da ich keinen deutschen Pass habe, gilt für mich natürlich auch nicht die 15-Kilometer-Beschränkung. Zudem halte ich mich ja nicht länger als 24 Stunden in den verschiedenen Ländern auf, so dass ich danach auch nicht in Quarantäne müsste. Wobei mich das NACH Heiligabend wahrscheinlich nicht mehr stören würde.

WochenENDspiegel: Und wie handhabst Du das mit dem Corona-Test?
Der Weihnachtsmann: Schau. Ab Mitte Dezember gehen in Deutschland die Impf-Zentren ans Netz. In manchen Ländern wird sogar schon fleißig geimpft. Das Augenmerk liegt zunächst auf Krankenhaus- und Pflegepersonal, chronisch Kranke und ALTE. Was glaubst du, wie lange es gedauert hat, bis mich die Ärzte angerufen haben.

WochenENDspiegel: Das bedeutet also, dass Du bereits geimpft bist?
Der Weihnachtsmann: Können Rentiere fliegen?

WochenENDspiegel: Verstehe. Also steht Weihnachten ja so zu sagen nichts mehr im Wege, oder?
Der Weihnachtsmann: So ist es. Weihnachten ist gesichert.

WochenENDspiegel: Da werden aber jetzt viele Kinder auf der Welt aufatmen. Kannst Du dich erinnern, dass Weihnachten überhaupt schon einmal auf der Kippe stand?
Der Weihnachtsmann: Ja. Tatsächlich war ich vor zwei Jahren kurz davor, Heiligabend abzublasen. Da hatten sich im Zuge der schweren Grippe-Welle alle meine Rentiere mit dem Influenzavirus angesteckt, lagen tagelang flach. Doch wie durch ein Wunder kamen sie pünktlich am 24. Dezember wieder auf die Hufe.

WochenENDspiegel: Apropos Wunder. Gibt es diese wirklich, ich meine in Form von Übernatürlichem?
Der Weihnachtsmann: Selbstverständlich. Schau dich doch um. Wunder geschehen auf dieser Welt permanent. Man muss nur seinen Geist befreien und die Engstirnigkeit ablegen, um sie auch wirklich zu erkennen.

WochenENDspiegel: Gestatte mir noch eine letzte Frage: Welches ist Dein Wunder 2020?
Der Weihnachtsmann: Die ungebrochene Hoffnung und Zuversicht der Menschen auf ein besseres Jahr 2021. Beinahe jedem hat das Schicksal in diesem Jahr auf verschiedenste Weise übel zugesetzt. Und dennoch glaubt der Großteil jedenfalls daran, dass uns das nächste Jahr wieder Glück und Frieden bringen wird. Dieses Jahr hat viele Helden und ein neues gemeinschaftliches Bewusstsein zu Tage gefördert. Wenn wir uns dieses für die Zukunft erhalten, wird künftig vielleicht auch die Welt ein Stück weit besser und gerechter werden. Daran glaube ich ganz fest.

(Satire)