Start Zwickau Corona-Krise: So laufen jetzt Bestattungen ab
Artikel von: Redaktion
09.04.2020

Corona-Krise: So laufen jetzt Bestattungen ab

Derzeit sind nur 15 Menschen pro Bestattung erlaubt. Viele Hinterbliebene bitten daher bereits um Aufschub. Foto: Pixabay

Nach der neuen Corona-Schutz-Verordnung des Freistaates Sachsen vom 31. März 2020 gilt, dass Zusammenkünfte bei Beerdigungen im engsten Familienkreis bis maximal 15 Personen erlaubt sind.
Das klingt theoretisch einleuchtend. Aber wie laufen derzeit Beerdigungen ab? Tobias Wenzel arbeitet seit 1988 als Bestatter. Zusätzlich ist der 52-Jährige sächsischer Innungsobermeister im Bestattungswesen. In dieser Position kümmert er sich um alle Aufgaben des Berufsstandes, wie beispielsweise der Erarbeitung von gesetzlichen Regelungen und Verbesserungen.
WochenENDspiegel-Redakteurin Alice Jagals sprach mit ihm über seinen Beruf in einer Zeit, in der Empathie und menschliche Nähe andere Wege gehen müssen.

Tobias Wenzel, sächsischer Innungsobermeister im Bestattungswesen. Foto: privat

Wie empfinden Sie die Gespräche mit den Hinterbliebenen während der Klärung des gesamten Ablaufes? Sie erfüllen ja nicht nur Formalitäten, sondern sind auch eine Stütze für die Menschen.
Die Gespräche mit den Hinterbliebenen werden genauso einfühlsam geführt, es ist jedoch erst mal eine Umstellung gewesen körperlich auf Abstand zu gehen. Ein teilnahmsvoller Händedruck kann in diesen Zeiten nicht mehr gegeben werden.

Wie ist neben der Trauer, der Gemütszustand der Trauernden aufgrund der verschärften Auflagen? Wie verhalten sich die Trauernden nun bei der Bestattung? Ältere Menschen müssen dennoch gestützt werden. Welche Beobachtung machen Sie?
Für viele Hinterbliebenen ist es schon eine Umstellung nur im engsten Familienkreis Abschied zu nehmen, gerade in unserer ländlichen Region gehörte es doch dazu, dass sich viele, egal ob aus Vereinen oder Kollegen und Freunde, vom Verstorbenen verabschieden. Der Trend wie in den letzten Jahren zu verzeichnen „findet im engsten Familienkreis statt“, zeigt sich jetzt, wenn es gefordert ist, dass es doch nicht so schön ist.
Beobachtung ist, dass der Familie und deren Zusammenhalt wieder mehr Bedeutung zukommt.

Wie werden Formalitäten jetzt geklärt?
Formalitäten werden mit zwei Personen ohne Symptome geklärt. Bei einem Verdacht auf eine Infektion läuft das zum Schutz aller Beteiligten per Telefonkonferenz, Mail und bei uns über ein Portal, wo sich die Angehörigen, Sarg, Decke, Blumenschmuck oder Anzeigen aussuchen können.

Wie empfinden Sie nun die Bestattungen? Macht das auch etwas mit Ihnen als Bestatter?
Ja, es ist schon würdevoller, wenn man in einer Trauerhalle mit Dekoration und vielen Angehörigen und Freunden arbeiten kann. Hier geht es nicht um einen finanziellen Aspekt, denn der ist dabei nicht entscheidend, sondern um die Arbeit.

Gibt es derzeit viele Anfragen auf Verschiebung der Beisetzung? Bei einer Urnenbestattung ist das ja möglich.
Die Hälfte der Angehörigen denken über eine Verschiebung nach, natürlich ist entscheidend, wie lange die Einschränkungen bestehen werden. Wenn es zu lange geht, brauchen die Angehörigen einen Ort zum Trauern.

Welche Hygienemaßnahmen müssen jetzt verschärft beachtet werden? Leichen haben ja auch verschiedene „Ausdünstungen“, die für die Bestatter gefährlich sein können.
Es hat schon immer infektiöse Verstorbene gegeben. Alle Mitarbeiter der Innungsbetriebe sind im Umgang geschult und wissen, wie sie sich selbst schützen müssen.

Sind Bestatter ausreichend mit Schutzausrüstung ausgestattet? Gibt es für Sie genügend Desinfektionsmittel?
Im Moment haben die Betriebe noch Vorrat, eine Nachbestellung ist leider nicht oder nur schwer möglich. Lobenswert ist, dass die Innungsbetriebe in den Verteiler für Hygieneartikel des Sozialministeriums aufgenommen wurde. Hierbei sei besonders das für uns zuständige Referat 21 mit ihrer Leiterin Frau Olivier zu erwähnen. Wir als Landesinnung der Bestatter haben vorige Woche eine Lieferung von 5500 Flaschen Händedesinfektion von der Beyersdorf AG mit Sitz in Waldheim als Spende für unsere Mitarbeiter erhalten. Weitere Versorgung mit Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung sind angekündigt, es gestaltet sich aber genau wie im Gesundheitswesen sehr schwierig.

Ich habe gelesen, das Infizierte in bestimmte Leichensäcke gelegt werden müssen. Wie wird mit Leichen umgegangen? Anders als sonst? Oder gibt es nur Unterschiede darin, ob Sie das Coronavirus hatten oder nicht? Das weiß man ja vielleicht nicht immer.
Verstorbene mit Infektionskrankheiten müssen nach dem Infektionsschutzgesetz behandelt werden. Sie werden in mit Desinfektionsmittel getränkte Tücher eingebettet. Eine Verabschiedung am offenen Sarg darf nicht stattfinden. Eine gesunde Vorsicht ist bei jedem Verstorbenen – dies galt schon immer – angebracht. Man weiß ja nie, an was sie verstorben sind.

Vielen Dank für das Gespräch.