Start Erzgebirge Das darf Greta niemals lesen!!
Artikel von: Sven Günther
17.12.2019

Das darf Greta niemals lesen!!

Frank Roch, das Gesicht des Welterbe-Titels, entdeckt die Geschichte vom Räucherkerzl in einem Buch aus dem Jahr 1923. Foto: Foto: Ketchum Pleon

Wenn dos Raachermannl net mer naabel soll…

Von Sven Günther
Erzgebirge. Er ist das Gesicht des Welterbe-Titels, lächelt von zig Großplakaten. Frank Roch kult-schrulliger Wirt und Koch im
Gasthaus Morgensonne direkt an der B 95 in Cunersdorf, seit 1979 Mitglied Bergknapp- und Brüderschaft “Glück auf” Frohnau (1491 gegründet), seit 2015 deren Chef. Roch ist Traditionsbewahrer, Heimatforscher, Erzgebirger mit Leib und Seele. Nach einer launig-geselligen Runde hielt er mir, dem Autor, ein gelbliches Büchlein hin: Erzgebirgische Geschichten von Max Wenzel* aus dem Jahr 1923.
Dann tippte er, Roch, mit seinem Finger auf die Episode “Rächerkerzeln”, sagte: “Das musst Du lesen! Wenn man bedenkt, dass das 1923 geschrieben wurde…” Tatsächlich! Die Geschichte erinnert an einige heutige Debatten…

Rächerkerzeln

„Wenn ich an dich denk, du alts guts gebergisch Weihnachten, do stieht ‚s Schönste von meiner Jungd vir mer auf. Do lechten meine Aagn, wie lauter Lichteln vu de Krippen. Lechter, Bargleit und Terken; un mir klingts in die Ohrn wie lauter Mettengesäng un Turmblosen.
Mei Harz dreht sich rüm und nüm, wie de Flügeln vu ener Permett, un mir kimmt of dr Zung e Geschmack wie lauter Butterstolln, Pfaffernüßle und Cruttendörfer Pfefferkuchenmanner.
Un aa de Nos gieht net leer aus. Of ein fein Wölkel kimmt e Duft, dar ganz noch Weihnachten riecht, hargezugn.
Un mir is schi, als müßt ich hörn, wenn do Rächerkerzl, wu dar Duft harkimmt, sei Papier, über en Gelos volk Wasser, dorchgebrannt hot, un mit ee Zischerz sei Labn beschließt.
Oder ich sah euch, ihr Terken, Postleut, Kutscher un Soldaten mit der Pfeif in der Hand, uns aus en grußn Loch in euern Gesicht, wu anere Leut ihr – mit Respekt ze sogn – Maul hobn, kimmt es dicker Schwodn Raach raus.
Oder de ganze Stub krieg en Duft, als wenn kläne Weihnachtsengel durchgeflugn wärn…

Karl, zünd e Weihrauchkerzel aa,
daß wie Weinachten riecht,
un stell’s ner of dos Scherbel hie,
dos unern Ufen liegt.

Esu häßts net ümesist in unner alten Heiligohmdlied!

Armes Rächerkerzl! Dich wolln se heut mit Strump un Stiel aus dr Walt schaffen. Vun dei Raach solln de Leut Krankhäten in dr Lung kriegn, gefahrlich un verdarblich sollst de sei.

Armes klänes Aschenbrödel!
Als wenn e Fabrik-Ess, die e ganz Dorf verpest, oder e Auto, dos aus eine Straoß e Staubwolk macht, net noch mehr Raach und Gestank macheten, als wie du.
Du kläns schwarz Drackel – un dergegn die gruße Fraa Hygiene, daar ihre Leut oder aa in der Stinkkutsch of de Dörfer nausfahrn un ne Drack aufrührn. Do ka mer sich ausrachne, war emol aus der Walt naus muß!
Oder mir tust du lechten, wie ‚s grußartigste Höhenfeuer, dä dei Raachwölkel trägt mir ewos zu – Hamet, Hamet.

Un dan klen Geschichten dohioerde ho ich euern Name gabn: Räucherkerzeln!

War fei e aspruchvolles Gemüt hoot, für dan sei sei nischt. Schlicht und efach un aa ewing darb wie uner Land, esu se se aa. Un war gewuhnt is, Autoduft ze riechn, werd se bal übersahe, wie er e manichs Kläne übersieht, wenn ersch net gerod ze Tud fährt.

E wing Hametduft wolln se bränge un – nehmt Eich när ewing in acht, dä wenn mer zu nah naakimmt, verbrenne se de Finger.“

 

Foto: Archiv Roch

*Max Wenzel wurde am 8.April 1879 in Ehrenfriedersdorf als Sohn eines Justitzbeamten geboren. Er verbrachte seine Jugend in Annaberg, wo er auch seine Schulausbildung genoss. Seine Ausbildung bekam er im Annaberger Lehrerseminar, der jetzigen EGE Annaberg. Ausgebildet, lehrte er in Wiesa, Geyersdorf und Grumbach, wo er als Lehrer stets ins Gemeindeleben eingebunden, dem Volk auf`s “Maul”schaute,und daraus seine humorvollen Anektoten speiste.
Ab 1904 ging er als Lehrer nach Chemnitz, ohne seine Tätigkeit als Autor aufzugeben. Er gilt als einer der produktivsten Mundartautoren des Erzgebirges. Zu seinen Werken gehören “Dr Weißköppel David” , “Pfaffernüssle”, “Wie`s drham war”, “Of dr Ufnbank” , “Schwarzbrut”, “Ren`g un Sonneschei”, “In dr Dämmerstund”, “Unner Vugelbeerbaam” , “Wos dr Wenzel Max derzehlt”, um nur einige aufzuzählen. Er schrieb auch duzende humoristische Bühnenstücke für Vereine. und ist somit nicht aus dem Erzgebirge wegzudenken. Sein Lebenskreis schloss sich am 4.September 1946 in Chemnitz.