Start Demokratie-Studie: Falsch gepolt?
Artikel von: Sven Günther
30.06.2023

Demokratie-Studie: Falsch gepolt?

Wir schauen anders auf die neue Demokratie-Studie und blicken auf die irreführenden Schlagzeilen
Wir schauen anders auf die neue Demokratie-Studie und blicken auf die irreführenden Schlagzeilen.

Ein anderer Blick auf die Demokratie-Studie

Von Sven Günther
Region. Nein, was Sie jetzt lesen, ist sicher kein Beitrag über die neue Demokratie-Studie, der Journalistik-Professoren jubeln lassen wird. Die Apologeten der reinen Lehre werden die Vermischung unterschiedlicher Kategorien wohl Geschreibsel oder journalistische Mischpoke schimpfen.

Es ist mir egal!

Emotionen wüten in mir von Bauch über Herz und Hirn bis tief hinein in die tippenden Finger – und es sind leider einige meiner Berufskollegen, die mich aufregen. Hochachtung habe ich vor allen, meinen Hut ziehe ich vor den meisten, verstehen kann ich im aktuellen Fall die wenigsten!

Der Auslöser meines Unmuts ist die aktuell erschienene Studie “Autoritäre Dynamiken und die Unzufriedenheit mit der Demokratie”, des in Leipzig ansässigen und zur Uni Leipzig gehörenden Else-Frenkel-Brunswik-Institut. Namensgeberin der 2020 gegründeten Einrichtung ist eine österreichisch-US-amerikanische Psychoanalytikerin und Psychologin.

Wir zahlen Millionen

Bezahlt werden Forschung und Personal vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung. Im Jahr 2022 gab es 589.147,09 Euro. Seit 2020 und bis 2024 werden es 2,5 Millionen Euro Steuermittel sein!

Irreführende Schlagzeilen

Liest man die Schlagzeilen zur neuen Demokratie-Studie, erfährt man vermeintlich Schreckliches. “Sehnsucht nach autoritärem Staat” heißt es auf tagesschau.de, “Hälfte im Osten will eine starke Partei” liest man beim ZDF. TAG24 schreibt über das Ergebnis: “DDR-Sehnsucht, rechtsextremes Gedankengut, Demokratie-Verdruss”. Und die Freie Presse titelt: “Zahlreiche Ostdeutsche fühlen sich politisch machtlos.” Ja, es ist finsterbraun – könnte man glauben – im Osten der Bundesrepublik.

Man kann es auch so sehen

Dann schaut man auf die Zahlen, neigt den Kopf seitwärts und staunt:

92,9 Prozent der Befragten haben KEIN geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild.

66,9 Prozent glauben NICHT, dass man einen Führer haben sollte, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.

69,3 Prozent sind NICHT der Meinung, dass unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform sei!

90,6 Prozent stimmen der Demokratie als Idee zu.
74,3 Prozent stimmen der in der Verfassung festgelegten Demokratie zu.
42,6 Prozent stimmen der Demokratie zu, wie sie in der BRD funktioniert.

45,6 Prozent fühlen sich als GEWINNER der Deutschen Einheit

Wenn 69,5 Prozent glauben, dass Ausländer hierher kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen, kann man das anprangern. Man muss dann aber auch die Frage beantworten, warum Asylbewerber ihre Anträge nicht in Griechenland, Polen oder Rumänien stellen, wo sie wegen des Asylgrundes sicher nicht mehr verfolgt werden. Die Debatte um Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist bekannt…

So ist das mit den Zahlen der Demokratie-Studie, die man von dieser oder von jener Seite aus lesen kann. Natürlich ist es mehr als bedenklich, wenn 7,1 Prozent ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild haben oder 33,1 Prozent sich einen Führer wünschen, der Deutschland mit starker Hand regiert und 30,7 Prozent unter bestimmten Umständen eine Diktatur der Demokratie vorziehen würden.

Aber deshalb ist der Osten kein demokratiefeindlicher, rechtsbrauner Tümpel, wie fast alle Schlagzeilen suggerieren, und die Wahl eines AfD-Landrates in Sonneberg ist auch nicht das Ende des Abendlandes.

Schreckgespenst AfD

Auch dazu konnte man in einem Leitartikel sonderbares lesen. Der Auto schreibt “Erschreckend ist, mit welcher Ignoranz offenbar ein großer Teil der Bevölkerung im Landkreis Sonneberg die Geschehnisse hinnimmt. Rund 60 Prozent betrug die Wahlbeteiligung…”

???? 60 Prozent Wahlbeteiligung ????

Ignoranz sieht anders aus! Bei der Landratswahl 2022 lag sie im Erzgebirgskreis bei 38,1 Prozent, in Mittelsachsen bei 36,6 Prozent, im Vogtlandkreis bei 32,5 Prozent und bei der Stichwahl im Landkreis Zwickau bei 28,9 Prozent!!!

Auch zu schreiben: “Sonneberg liegt nicht auf einem anderem Planeten. Die Ereignisse in dem Landkreis HINTERM Thüringer Wald…” mag geografisch richtig sein, ist aber auch ein Zungenschlag, der genau das auslöst, was passiert: Wenn Menschen, inklusive ihrer Wahlentscheidungen, von “denen da oben” als dumm abgestempelt werden, dann löst man bei vielen Stimmberechtigten nur eine Reaktion aus: Sie zeigen “denen da oben” den blauen Finger!

Oder aber die Leute finden es sinnlos, sich politisch zu engagieren, wie es laut Else-Frenkel-Brunswik-Institut schon jetzt 64,6 Prozent der Befragten der Demokratie-Studie tun.