Start Der EHV und der Trunk des Bernardino Branca
Artikel von: Sven Günther
06.12.2023

Der EHV und der Trunk des Bernardino Branca

Das Spiel in einem Foto zusammengefasst. Die Gäste aus Bietigheim-Bissingen-Metternzimmern warfen zwölf Tore vom Kreis, EHV-Keeper Sveinbjörn Petursson konnte 19 Bälle halten. Marko Vignjevic (links) ist in der Defensive Ansprechpartner Nummer 1 von Trainer Olafur Stefansson und EHV-Kreisläufer Mika Sajenev traf zwar zwei Mal, erlaubte sich aber auch zwei technische Fehler.
Das Spiel in einem Foto zusammengefasst. Die Gäste aus Bietigheim-Bissingen-Metternzimmern warfen zwölf Tore vom Kreis (im Foto Jonathan Fischer), EHV-Keeper Sveinbjörn Petursson konnte 19 Bälle halten. Marko Vignjevic (links) ist in der Defensive Ansprechpartner Nummer 1 von Trainer Olafur Stefansson und EHV-Kreisläufer Mika Sajenev traf zwar zwei Mal, erlaubte sich aber auch zwei technische Fehler. Foto: Manja Gehlert.

EHV-Coach Stefansson auf den Spuren des Titans…

Lößnitz. Die Ältern werden sich noch an ihn erinnern können, an den steingrauen Adler, der über die Hochgebirgs-Gipfel gleitet, eine Flasche Schnaps in den Fängen gekrallt. Schließlich landet er – von erhabener Musik getragen – vor zwei Gläsern und man hört eine sonore Stimme sagen: „Fernet-Branca! Man sagt, er habe magische Kräfte…“ Vielleicht sollten die Veranwortlichen des EHV Aue ein paar Liter des bitteren Trunks, den Bernardino Branca erstmals 1845 als Magenmedizin in Mailand aus 27 Kräutern zusammenmischte, einkaufen – und in solch gezielter Dosierung an die Spieler ausreichen, dass diese vergessen, dass sie immer und immer wieder vergessen, was sie eigentlich können.

Der EHV schlägt sich selbst

Denn auch das am ungewöhnlichen Montagabend ausgetragene Heimspiel gegen den Tabellenzweiten der 2. Handball-Budesliga aus Bietigheim-Bissingen-Metternzimmern gewannen nicht etwa die Gäste. Nein. Der EHV verlor die Partie mit 27:31 ganz allein.
Dabei legten die Blauen einen sehenswerten Start hin, führten nach zehn Minuten gar mit 7:3. Da hatten Mubenzem, Sajenev, Peter, Paraschiv und Vignjevic im Angriff getroffen, Sveinbjörn Petursson hinten das Tor mit spektakulären Paraden vernagelt.

Unerklärliche EHV-Schwäche

Doch dann kam sie wieder, die Phase der fluschtigen Finger, der zittrigen Hände, der verwirrten Synapsen. Die EHV-Spieler warfen die Bälle in der Gegner Hände, ließen das Spielgerät aus ungeklärter Ursache aus den eingen gleiten bzw. wurden sie so abgespielt, dass sie von den Kameraden nicht ergriffen werden konnten. Die Erzgebirge verfehlten mit ihren Würfen das Tor oder trafen den Keeper.
So war es kein Wunder, dass es zur Pause 13:14 von der Anzeigetafel leuchtete. Die Moderatoren des übertragenden Sportsenders „DYN“ legten qualitativ minderwertiges Harz als Erklärung auf das Tapet, was Nostalgikern den Duft von Hörnig-Baumharz ins olfaktorische Gedächtnis rief, verwarfen den Gedanken aber schnell, weil bei den BBM-Mannen das Phänomen der Ballverluste nur selten zu beobachten war.

EHV-Spieler vergeigen 30 Angriffe

Nach 60 Minuten schüttelten die meisten der – für einen Montagabend beachtlich vielen – Zuschauer (955) über 30 – in Worten DREISSIG – technische Fehler und Fehlwürfe auf Seiten des EHV die Köpfe. Ein Phänomen, das rational nicht zu erklären ist. Ein Phänomen, das pathologische Züge annimmt, weil es sich ganz offensichtlich manifestiert hat.
Fehlwürfe + technische Fehler = Niederlage. So hieß die EHV-Formel bei den Heimniederlagen gegen Vinnhorst (23:28) und gegen Coburg (28:33). So hieß sie auch bei der Pleite in Dessau (27:29). Hoffnung macht, dass man nicht an die Wand gespielt wird, sondern durch vermeidbare Unzulänglichkeiten die Punkte liegen lässt.

Der EHV-Macher zwischen Weltstars

Die Formel kennt auch Rüdiger Jurke, der nach dem Spiel das Wort ergriff und zunächst mit keinem davon auf die Partie einging. Der EHV-Macher: „Ich habe in 30 Jahren schon viel erlebt. Aber das ich hier bei einer Pressekonferenz zwischen Iker Romero und Olafur Stefansson sitze, die beide unter den besten fünf Hanballern aller Zeiten sind, das ist schon etwas ganz Besonders und eine große Ehre für mich.“

Die großartigen Spieler analysierten dann als Trainer die Begegnung. Iker Romero freute sich über den Sieg, ärgerte sich über zu viele Ballverluste und fand heraus, dass die BBM-Abwehr viele technische Fehler provoziert habe.

EHV-Coach Olafur Stefansson: „Was uns heute kaputtgemacht hat, war das Kreisspiel von Fischer und Wiederstein. Das haben wir nicht unterbinden können.“ Zwölf Tore gingen auf das Konto der beiden Kanten im Zentrum.

Niederlage muss EHV Mut machen

Dass die Auer Niederlage nicht höher ausfiel, lag zum einen an der Moral der Mannschaft, die nie aufgab. Zum anderen an Keeper Sveinbjörn Petursson, der vor den Augen seiner angereisten Eltern mit 19 Paraden glänzte. Am Ende hatte Bietigheim sogar noch Glück, weil die Schiedsrichter einen Ball im Aus sahen, der nicht im Aus war und die Gäste – und nicht der EHV – beim Stand von 27:29 vier Minuten vor Ultimo des Spielgeräts habhaft wurden.

Einsamer Jubel: Sveinbjörn Petursson freut sich über eine seiner 19 Paraden und auf dem Foto über einen Treffer des EHV. Foto: Manja Gehlert.


Immerhin sieht Olafur Stefansson eine positive Entwicklung: „Wir machen zu viele technische Fehler, zu viele Fehrwürfe und kassieren zu einfach Zweiminuten-Strafen. Aber es war ein Schritt nach vorn. Wir haben das ganze Spiel gekämpft, standen gut in der Abwehr. Wichtig ist, dass der Kopf nie nach unten geht. Jeder Tag ist neu, für ein neues Training, neue Ideen und für Verbesserungen. Jetzt geht es am Freitag nach Hagen. Daran müssen wir denken. Ich glaube, dass wir jeden schlagen, aber auch gegen jeden verlieren können

Kann der EHV vom Fußball lernen?

Und dann sprach er einen Satz, der einem Schreiberling wir mir als Steilpass dienen muss: „Ich wollte das Spiel gewinnen, aber es ist jetzt eben so gelauften. Jetzt geht es weiter und weiter und weiter.“
Sofort wird man an Oliver “Den Torwart-Titan” Kahn erinnert, der im Rausch nach der Last-Minute-Meisterschaft seiner Bayern 2001 gegen den HSV seinem Trainer Ottmar Hitzfeld „Niemals aufgeben! Immer weitermachen, immer weiter, immer weiter!“ ins Ohr schrie…

Eine andere Fußball-Weisheit sollten sich die Handballer des EHV noch mehr zu Herzen nehmen: „Das Runde muss ins Eckige!“ Und wenn gar nichts mehr hilft: Fernet-Branca statt Wernesgrüner – wegen der magischen Kräfte…