Start Erzgebirge Eric Frenzel: Fluggefühle
Artikel von: Sven Günther
10.01.2017

Eric Frenzel: Fluggefühle

Kolumne von Eric Frenzel: Fluggefühle

Von Eric Frenzel
Ich sitze angeschnallt im Flugzeug. Die Triebwerke heulen auf, der Schub zum Starten presst mich leicht in den Sitz und ich schließe die Augen. Zeit, um das finnische Weltcupwochenende in Lahti Revue passieren zu lassen. Ein Sieg und ein „Zweiter Platz“ haben mir das Gelbe Trikot des Gesamtweltcupführenden beschert. Die wichtigste damit zusammenhängende Erkenntnis ist jedoch, dass sich die Trainingslager in Italien, die das Springen im Fokus hatten, bezahlt gemacht haben. Intensiv haben wir an der Anfahrtshocke gearbeitet und an dem Absprung selbst. Was sich beim Intensivtraining abzeichnete, dass ich durch unentwegte Analyse eine Optimierung des Sprungs herbeiführen konnte, konnte ich in Finnland im Wettkampf vollumfänglich bestätigen.
Meine weiten Sprünge sind wieder da! Am zweiten Wettkampftag konnte ich  130 Meter springen und hatte das Gefühl, der Flug hört nicht mehr auf.
Ich bin froh darüber, dass in der entscheidenden Phase der Weltcupsaison und vor dem Saisonhöhepunkt, der Weltmeisterschaft, meine alte Stärke auf der Schanze wieder da ist, die ich zum Saisonbeginn doch noch nicht optimal abrufen konnte. Weite Sprünge als Grundlage für erfolgreiche und siegreiche Wettkämpfe, dieses Instrument halte ich nun als Trumpf wieder in den Händen, was in Ansehung der starken, deutschen Konkurrenz auch nötig ist.
In der Loipe zählen derzeit jeder Meter und jede Sekunde, wie man vor allem im zweiten Wettkampf des finnischen Weltcups in Lahti sehen konnte. Mit einer Fünfer-Gruppe als Lokomotive habe ich bewusst von Anfang an das Tempo konstant hoch gehalten, um den heranstürmenden Johannes Rydzek auf Distanz zu halten und um auch die Führungsgruppe mürbe zu laufen, was gut gelang. Den entscheidenden Angriff zur „Sprengung“ der Gruppe konnte ich auf der selektiven Strecke bei einem langen Anstieg setzen. Bis auf Fabian Riessle, der diese Attacke mühelos mitgestaltete, waren die Mitstreiter abgeschüttelt. Jetzt entwickelte sich ein Zweikampf, wie er härter nicht sein konnte. Immer noch hielt ich aus Respekt vor Johannes das Tempo sehr hoch, was zugegebener Maßen viel Kraft kostete, aber den Sinn und Zweck erfüllte. Mein Gefühl, sagte mir dass ich innerlich für die Reststrecke die Kraft sammeln sollte, als Fabian beim Anstieg hart attackierte. In wenigen Sekunden war mir klar, dass ich diesmal meinen Mannschaftskameraden nicht halten konnte.
Was mir blieb, war den zweiten Platz zu sichern und dadurch das „Gelbe Trikot“ weiter zu tragen.
Es ist wohl die spannendste Weltcupsaison meiner Karriere. Gut, dass das Fluggefühl wieder zurück ist.
Ich öffne die Augen kurz vor dem Bodenkontakt in München. Der Pilot setzt einen sauberen Telemark.
Auf zur nächsten Etappe!