Artikel von: Sven Günther
18.01.2024
Herr Lindner, hier können Sie richtig Geld sparen
Wir sagen, wo Lindner Milliarden sparen kann
Region. Seine Gesichtszüge signalisieren die Ernsthaftigkeit der Lage, seine Gesten sollen Unausweichlichkeit symbolisieren. Bundesfinanzminister Christian Lindner muss sparen, sparen, sparen – will trotz massiver Proteste der Bauern an der Streichung des Subventionen für Agrar-Diesel festhalten.
Sparen bei den Bauern?
IMMERHIN: 450 Millionen Euro könnte Lindner damit pro Jahr sparen.
ABER: 6.000 Millionen Euro Fördermittel bekommen die Bauern pro Jahr in Deutschland weiter von der EU überwiesen.
Der Vergleich macht deutlich, dass es bei den straßenblockierenden Protesten längst um viel mehr geht. Busunternehmer Udo Burkert aus Sehma, einer der Organisatoren des “Berggeschrey“, sagt: “Viele Menschen sind einfach unzufrieden mit den Entscheidungen der Regierung. Deshalb standen neben den Bauern auch Handwerker, Selbstständige und Firmenchefs auf den Kreuzungen.”
Aus seiner Sicht gelungene Aktionen. “Es wurde Zeit, dass mit diesen deutlichen Signalen unsere Sorgen in den Köpfen der Berliner Politiker angekommen sind”, sagt Udo Burkert und ergänzt: “Es ist alles friedlich geblieben, Rettungswege wurden frei gehalten und notwendige Fahrten nicht behindert.” Seine Aussage: “Wenn 80 Prozent der Bürger mit der Regierung nicht mehr zufrieden sind, sollte man sich als Politiker hinterfragen, was man falsch gemacht hat.” Er räumt aber ein, dass die Ampel dabei auch einige Probleme auf dem Tisch hat, deren Ursachen schon Jahre zurückliegen.
Sparen an der falschen Stelle?
Weil die Förderung des Agrar-Diesels in aller Munde ist, lohnt sich ein Blick auf andere Projekte, die mit Steuergeld unterstützt werden. Und je länger man sich damit beschäftigt, umso mehr staunt man, wofür die EU und der Bund Geld ausgeben, das wir Monat für Monat abgezogen bekommen.
Bleibt man in der Region, springt dem Betrachter das Programm “Interreg“* (früher SN-CZ) ins Auge, über das der WochenENDspiegel mehrfach berichtet hat.
Hier einige aktuelle Projekte
+ Erhaltung von sicheren Wanderkorridoren für fliegende Wirbeltiere im Grenzgebiet: 752.323,90 Euro
+ Verbesserung des Rothirsch-Managements: 1.212.100,92 Euro
+ Auswirkungen des Klimawandels auf grenzüberschreitende Wasserkörper an der tschechisch-sächsischen Grenze: 945.533,02 Euro
+ Archäologie im Welterbe – Zinnbergbaulandschaften: : 3.517.607,43 Euro
+ Basketball verbindet Schulen in Sachsen &Tschechien: 894.888,22 Euro
+ Karriere im Erzgebirge: 720.117,58 Euro
Hier könnten wir Milliarden sparen
Alles Kinkerlitzchen, wenn man sieht, mit welchen Mitteln die Bundesrepublik weltweit Projekte unterstützt. Insgesamt werden aktuell weltweit 8.095 Vorhaben 109 Ländern mit 61 Milliarden Euro gefördert, von denen schon 32,46 Milliarden ausgegeben wurden.
Radwege in Peru?
Auch das immer wieder zu hörende Beispiel “Finanzierung von Radwegen in Peru” könnte man ins Feld führen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Jahresbudget 11,5 Milliarden Euro) fördert im südamerikanischen Staat 153 Projekte mit 927,3 Millionen Euro, darunter das “Sektorprogramm NAMA für nachhaltigen Stadtverkehr” mit 40 Millionen Euro.
Hilfe für China?
Auch in China ist das Ministerium tätig, hat für 339 Projekte 1,59 Milliarden Euro eingeplant, darunter 522.000 Euro für “Kapazitätsaufbau und Gender-Training für zivilgesellschaftliche Basis-Organisationen und Sozialarbeiterstationen in einer Provinz Chinas” und 499.000 Euro für die “Integrierte ländliche Entwicklung und Stärkung bäuerlicher Selbstverwaltung und Kapazitätsaufbau für Graswurzelorganisationen in der Provinz Liaoning”.
Weitere Beispiele liest man auf dem Transparent-Portal des Entwicklungshilfe-Ministeriums
Förderung von Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden und Wasserkraft in Montenegro: 78 Millionen Euro
Abwasser-Entsorgung Podgorica (Montenegro): Fünf Millionen Euro.
Unterstützung für freiwillige syrische Lehrer in der Türkei: 65 Millionen Euro
Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten und Erhöhung der Ernährungssicherheit von armen Gemeinschaften im Surajpur und Korea Distrikt (Chhattisgarh), Indien: 1,4 Millionen Euro
Die unbekannte Mega GmbH
Damit nicht genug! Die Bundesrepublik gönnt sich darüber hinaus noch eine weltweit agierende GmbH: Die Deutsche Gesellschaft für Zusammenarbeit (GIZ).
Geschäftsvolumen 2021: 3,7 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 24.977 in 120 Ländern
Aufgabe: Umsetzung von Entwicklungshilfe-Projekten.
Beispiele: Einführung eines mobilen Bezahlsystems (JoMoPay) in Jordanien, Einrichtung von Frauen-Cafés in Bangladesch, Strukturwandel in der südafrikanischen Kohle-Provinz Mpumalanga.
Im GIZ-Aufsichtsrat sitzt ein sächsischer CDU-Bundestagsabgeordneter: Carsten Körber. Ein Interview mit ihm lesen Sie demnächst.
Udo Burkert: “Wenn ich Christian Lindner wäre, würde ich nicht zerknirscht dreinschauen, sondern ich wüsste, wo ich den Rotstift ansetzen würde – und bekäme sogar noch den Applaus der meisten Menschen dafür. Natürlich gibt es Bereiche, wie Theater, Bildung, Kunst oder Breitensport, in denen der Staat unterstützen muss. Wenn aber Steuergelder in Form von Fördermitteln in Milliardenhöhe in politisch ausgewählte Bereiche der Privatwirtschaft fließen, macht das den Markt kaputt. Und wenn man überall auf der Welt mit dem Geld um sich wirft, aber im eigenen Land den Geizhals gibt, ist das auch ein Zeichen, dass die Regierung einiges nicht verstanden hat.”
*Insgesamt ist das Programm “Interreg” 190 Millionen Euro schwer und läuft bis 2027. Das Geld kommt von der EU aus Brüssel, wohin die Bundesrepublik 2022 rund 30 Milliarden Euro überwiesen hat, 14 Milliarden Euro zurückbekam.