Start Chemnitz Kommentar: Die gescheiterte Germanistin
Artikel von: Judith Hauße
23.09.2021

Kommentar: Die gescheiterte Germanistin

Judith Hauße, Stellv. Chefredakteurin WochenENDspiegel. Foto: Privat
Kommentar: Hört auf mit dem Gender-Unfug im Sprachgut!

Vorweg: Ich habe mich für den folgenden Kommentar bewusst dazu entschieden, die deutsche Sprache auch Sprache sein zu lassen und mich nicht dem aufgezwungenen Genderwirrwarr hinzugeben. Mir als Germanistin tut es in der Seele weh, wie derzeit mit der deutschen Sprache umgegangen wird. Die deutsche Sprache – Werkzeug der Dichter und Denker in diesem Land – ist voll mit Gendersternchen, Binnen-I und Schrägstrichen. Ein fehlgeleitetes Durcheinander? Ich sage: Ja! Seit Wochen beobachte ich die Moderatoren der öffentlich-rechtlichen Medien, wie sie sich regelrecht am gendergerechten Binnen-I verschlucken.

Die Verfechter der gendergerechten Sprache irren sich bei dem Glauben, der deutschen Sprache könne einfach so ein „Genderhut“ aufgesetzt werden. Sie bemerken dabei nicht, dass dies grammatisch fatal und im Wesentlichen unnötig ist. Sogar im Duden gibt es aktuell Bestrebungen, die deutsche Sprache umzubauen. Man wolle das fest im Deutschen verwurzelte generische Maskulinum abschaffen. Der Begriff „Wissenschaftler“ wird auf den Internetseiten des Duden als „Subastantiv, maskulin – männliche Person, die über eine abgeschlossene Hochschulbildung verfügt und im Bereich der Wissenschaft tätig ist“ erläutert. Obwohl „Wissenschaftler“ vielmehr eine Personengruppe aus Frauen UND Männern bezeichnet.

Der Irrtum wird auch sichtbar am Beispiel „Lehrer“, das ebenso nach dem generischen Maskulinum gebildet wurde. Es besteht aus dem Verbstamm „lehr“ und dem Substantivierungssuffix „er“. Das Substantiv „Lehrer“ bezeichnet quasi nichts weiter als Personen, die eines tun, nämlich lehren. Es meint weder Frauen noch Männer, sondern ist wiederum vielmehr eine Personenbezeichnung, die geschlechtsneutral ist, d.h. kein Bezug auf männlich, weiblich, inter, trans oder queer etc. hat. Jetzt würden viele Genderbefürworter behaupten, dass beim Lesen „männliche Stereotypen“ hervortreten, wir quasi immer als erstes einen Mann vor Augen haben. Die Wissenschaft ist voll mit derartigen Argumentationsstudien zum Thema Stereotyp.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will diese Stereotypen nicht abstreiten, denn es gibt sie durchaus. Aber der Preis, den wir für die unendliche Debatte um das generische Maskulinum zahlen, hat einschneidende Folgen in unserem Freiheitsgefühl. Die Gendersternchen und das Binnen-I sind aufgesetzte Sprachgebilde, die uns einzwängen in unserer Sprache, und nebenbei bemerkt, die keineswegs Gleichberechtigung fördern. Im Gegenteil: Ändert ein Sternchen etwas an der Anzahl weiblicher Führungskräfte? Nein. Geht es den Frauen und Mädchen in Afghanistan dadurch besser? Wohl kaum!

Viel wichtiger ist es doch, die Missstände direkt aufzuräumen anstatt den Menschen etwas Unnatürliches aufzuzwingen. Erst Recht nicht, wenn es noch nicht einmal ansatzweise den Effekt erzielt, der angestrebt wird: Mehr Toleranz und Sichtbarkeit. Gendern im Sprachgebrauch will Einfluss auf unser Denken nehmen. Doch wer in die Freiheit eingreift, bekommt das Gegenteil zu spüren: Abneigung und Unverständnis. Ganz zu schweigen von dem Chaos und Unwissen.