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Artikel von: Sven Günther
17.04.2024

Mennekes hofft auf Kretschmer

Walter Mennekes im Gespräch mit Chefredakteur Sven Günther. Fotos: Carolin Strunk/Mennekes
Walter Mennekes im Gespräch mit Chefredakteur Sven Günther. Fotos: Carolin Strunk/Mennekes

Mennekes: Wir brauchen Erfahrung in der Politik

Heute werden ihn wieder Millionen Fußball-Fans mit seinem weiß-roten Schal auf der Tribüne des FC Bayern sitzend im TV sehen. Walter Mennekes. Unternehmer. FC Bayern Vizepräsident. Vorausdenker. Welche Gedanken er sich über Deutschland macht, warum er Michael Kretschmer schätzt und den Chefredakteur des “regionalspiegel” mit Cannabis in Verbindung bringt, lesen Sie im folgenden Interview.

Kirchhundem/Sauerland. Firma MENNEKES: Besprechungsraum. Mineralwasser aus einer Glaskaraffe, Orangensaft, Apfelschorle, Kaffee und köstlichste Plätzchen. Walter Mennekes hat das blaue Jackett über den Stuhl gehängt. Schnell wird klar, dass die vorab gestellten Fragen nur das Gerüst für ein spannendes Gespräch sind.

Interview mit Walter Mennekes

SVEN GÜNTHER
Aus welchen Gründen sind Sie eigentlich vor 30 Jahren mit einem Werk ins Erzgebirge gegangen?

WALTER MENNEKES:
Ich war schon immer davon überzeugt, dass es in Sachsen die besten Handwerker gibt. Deshalb sind wir ja auch nach der Wende nach Sachsen gegangen – und bis heute dort geblieben… Aber so richtig wussten wir nicht, was uns da in der ehemaligen DDR erwartet. Zum Teil wissen die Leute im Westen heute noch nichts über den Osten von Deutschland.

SVEN GÜNTHER
Genau wie die Leute im Osten wenig über den Westen wissen. Wer kennt schon eine Stadt im Sauerland oder den höchsten Berg der Eifel? Keiner. Natürlich waren die Menschen mehr an der schillernden BRD interessiert, als die Westdeutschen an der mausgrauen DDR. 

WALTER MENNEKES:
Viele Wessis waren noch nicht im Osten..
.
SVEN GÜNTHER.
Ich war bisher auch noch nicht im Sauerland. Ein Ossi ist eben anders als ein Wessi, genau wie ein Nordfriese anders als ein Bayer ist. Das Ost-West-Ding wird ständig thematisiert, aber dass es zwischen Emden und Garmisch-Partenkirchen genau solche Mentalitätsunterschiede gibt, zwischen Rostock und Annaberg-Buchholz, ist doch völlig normal, weil man eben unterschiedlich aufgewachsen ist. 

Wir müssen Verbindungen schaffen

WALTER MENNEKES:
Man muss es locker sehen. Wenn man will, kommt man auch zusammen. Also Verbindungen schaffen, nicht nur Steckverbindungen, nicht nur elektrotechnische, sondern auch die Wege durch gegenseitige Besuche kürzer machen, ist unsere Aufgabe, die wir dadurch erfüllen, dass wir seit rund 30 Jahren einen tollen Betrieb mit sehr guten Mitarbeitern in Sachsen haben.

SVEN GÜNTHER:
So lernt man sich kennen, so lernt man sich schätzen.

WALTER MENNEKES:
Also, wir sind da offen, weil wir Europa und die Welt als Markt brauchen. Wenn wir das nicht mehr haben, das sage ich allen, die aus der EU rauswollen, ist die Hälfte unserer Arbeitsplätze obsolet. Ob wir das überleben würden, weiß ich nicht. Es gibt einen weltweiten Bedarf an unseren Steckern, die weltweit genormt sind. Da darf es keine Handelshemmnisse geben. Mit diesen Folgen ist MENNEKES nicht allein, das betrifft die gesamte exportorientierte deutsche Wirtschaft.

SVEN GÜNTHER:
Mit Verlaub. MENNEKES hat Stecker doch auch schon vor einem gemeinsamen Europa verkauft…

WALTER MENNEKES:
Ja, aber es gäbe dann Handelshemmnisse, die uns bremsen, so wie es Donald Trump will. Das hilft uns nicht weiter. Wir brauchen freien Zugang zu allen Märkten. Schauen Sie nach Großbritannien, die sind nach dem Brexit in einer Rezession.

Glücksfall einig Vaterland

SVEN GÜNTHER:
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Deutschland im Jahr 2024 denken?

WALTER MENNEKES:
Denk ich an Deutschland in der Nacht – Glücksfall einig Vaterland! Wenn ich an Deutschland denke, denke ich natürlich an Heinrich Heine. Wir haben eine gemeinsame Heimat mit wechselvoller Geschichte. Es ist die Heimat vieler Weltmeister! 
Sport: Beckenbauer
Politik: Adenauer
Wirtschaft: Volkswagen
Es ist weltmeisterlich, was der Beckenbauer gemacht hat, was der Adenauer (als alles in Trümmern lag) gemacht hat und was VW macht.
Wenn ich einem Taxifahrer in Indien sage, dass ich aus Deutschland komme, kennt er den Beckenbauer und den FC Bayern besser als jeden Botschafter. Und Volkswagen kennt auch jeder. Das sind die wahren Botschafter Deutschlands. Oder Carl-Zeiss-Jena, eine Firma, die weltweit einen guten Ruf hat.

70 Konkurrenten bauen “MENNEKES”-Stecker

SVEN GÜNTHER:
Wenn man es geschafft hat, dass jedes Papiertaschentuch Tempo und jede Windel Pampers heißt, ist man weit vorn. Ist das bei Steckern von Mennekes auch so?

WALTER MENNEKES:
Beim neuen Stecker vom Typ 2 ja. Den hat schon Frau Merkel als MENNEKES-Stecker bezeichnet. Heute bauen ihn 70 Konkurrenten. Aber er heißt immer noch MENNEKES-Stecker. Der Grund dafür ist, dass wir uns früh dem Thema gewidmet haben, und ich wusste, dass jedes E-Auto auch einen passenden Stecker braucht. Heute macht dieses Segment mehr als die Hälfte unseres Gesamtumsatzes aus.

SVEN GÜNTHER:
Schön, wenn es für Sie läuft. Aber immer deutlicher ist aus den Reihen der Wirtschaft Kritik an der Politik zu hören. Schließen Sie sich dem an?

WALTER MENNEKES:
Wir verspielen gerade meines Erachtens unseren Weltpokal. Es läuft nicht rund in Deutschland. Die Regierung tut sich schwer – hat es aber auch schwer. Es gibt zahlreiche Konflikte und Herausforderungen, aber dennoch fehlen mir klare Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die demzufolge im Nebel stochert.
Wenn sich die politischen Auseinandersetzungen weiter fortsetzen, wenn Rechtsextreme das Sagen kriegen, die aus der EU austreten wollen, sind Millionen Arbeitsplätze in Deutschland weg – viele auch bei MENNEKES. Deutschland würde dann eine Ausfahrt von der Autobahn auf einen Holzweg nehmen.
Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben. Ministerpräsident Kretschmer ist sehr interessiert an meiner Meinung, ruft mich an und kümmert sich.

Ministerpräsident Kretschmer fragt nach

SVEN GÜNTHER:
Sachsens Ministerpräsident erkundigt sich bei Ihnen?

WALTER MENNEKES:
Ja, das hat noch nie ein Ministerpräsident gemacht. Es sind mal kürzere, mal längere Gespräche. Ich finde es einfach klasse, dass er uns sein Ohr schenkt und sich für unsere Probleme interessiert.
In dieser schwierigen Situation darf man die Pferde nicht wechseln. Wohin denn? Mit Leuten, die keine Erfahrung haben? Ich denke, wir brauchen Leute mit Erfahrung in der Politik und in der Wirtschaft. Mein Sohn fragt mich mit meinen 77 Jahren auch noch um Rat.
Experimente sind in dieser Zeit zu gefährlich. Die ganze Welt ist verrückt geworden. Der Ukraine-Krieg, was die Chinesen im südchinesischen Meer machen, kann uns nicht kalt lassen.
Fest steht: Wenn die Extremisten das Sagen bekommen, verlieren wir alle. Wenn ich das Parteiprogramm der AfD lese, wird mir Angst und Bange. Da finde ich keine Verbesserungen. 
Wir glauben bei MENNEKES an die Zukunft, haben gebaut, haben investiert. Aber wenn uns das Wasser abgegraben wird, weil politische Verhältnisse kommen, die uns nicht helfen, wird mir Angst.

SVEN GÜNTHER:
Beim Fußball, und da zuerst beim FC Bayern, sowie in der Wirtschaft fordert man immer „Sachverstand“ in entscheidenden Positionen. Wünschten Sie der Regierung mehr Sachverstand. Müssten nicht viel mehr Leute von der Art eines „Walter Mennekes“ Deutschland regieren.

WALTER MENNEKES:
Ich kann leider nur Stecker bauen und verkaufen, kenne das politische Geschäft nicht. Da muss ich mich auf die entsprechenden Fachleute verlassen. Und die Politiker verlassen sich auf mich, dass wir hier mit 1.600 Mitarbeitern ordentliche Stecker herstellen und Steuern zahlen, mit denen dann Straßen oder Kindergärten gebaut werden, soziale Verantwortung übernommen wird.
Also Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ich hoffe, dass Politiker an der Regierung sein werden, die dafür sorgen, dass wir ordentlich weiter arbeiten können, sodass die Wirtschaft weiterwächst und wir Steuern zahlen. Im Moment scheint aber alles gelähmt. Einmal durch selbstgemachte Probleme, zum anderen durch äußere Einflüsse.

Walter Mennekes: Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben. Ministerpräsident Kretschmer ist sehr interessiert an meiner Meinung, ruft mich an und kümmert sich.

Corona war ein Einschnitt

SVEN GÜNTHER:
In Vorstellungsgesprächen hören Personal-Manager heute oft – und auch ganz schnell – Fragen nach Freizeit und verkürzten Arbeitszeiten. Werden wir ein Volk der Faulenzer, die die Freizeit vor den Beruf stellen?

WALTER MENNEKES:
Nein, das glaube ich nicht. Durch die Pandemie sind wir ein wenig orientierungslos geworden. Inzwischen drängen die meisten, die im Homeoffice waren, wieder in die Büros, weil ihnen der direkte menschliche Kontakt fehlt und sie ihn auch brauchen, um effektiv arbeiten zu können. Und sie wünschen sich wirtschaftlich und politisch stabile Verhältnisse.
Im Moment dümpelt ja alles vor sich hin. Es liegt eine Art Mehltau über dem Land. Wir sind in Sachen Wachstum die Schwächsten in Europa.
Die Leute merken: Menschenskinder, so kann das eigentlich auch nicht weitergehen. Ich muss mich mehr einbringen. Das heißt, persönlich mit meiner Arbeitsweise und meiner Arbeitsleistung. Und sie wollen in Berlin oder im Land stabile politische Verhältnisse, weil sie ein Haus gebaut, ein Auto gekauft oder eine Familie gegründet haben, was alles bezahlt werden muss.
Und ich glaube, dass sich diese Einsicht nach Corona wieder mehr und mehr durchsetzt. Das war ein Einschnitt. Wir sind jetzt NC. Nicht „Nach Christus“ sondern „Nach Corona“. Wir brauchen jetzt einen Schulterschluss mit der Politik.

SVEN GÜNTHER:
Und Sie fühlen sich gut vertreten?

WALTER MENNEKES:
Ich fühle mich von Michael Kretschmer gut vertreten, auch von Hendrik Wüst. Ich habe mich aber auch mit Gerhard Schröder gut verstanden, bin also nicht parteipolitisch festgelegt. Klar ist: Eine starke Regierung ist gleich eine starke Wirtschaft. Das eine geht ohne das andere nicht. Wenn ich eine starke Regierung habe und eine schwache Wirtschaft, bleibt die Regierung nicht mehr stark, weil sie zu wenig Steuern hat.
Und wenn ich nur eine schwache Regierung habe, die uns als Botschafter und Verkäufer nicht richtig nach außen vertritt, dann wird auch die Wirtschaft schwächer. Deswegen müssen wir unterhaken. Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren, und da muss sich jeder an die eigene Nase fassen.

SVEN GÜNTHER:
Ich habe immer mehr das Gefühl, dass alles schlecht geredet wird, was gar nicht schlecht ist. Wenn ich überlege, dass man im Fall längerer Arbeitslosigkeit seine Wohnung bezahlt und 600 Euro im Monat bekommt, ohne etwas zu tun… Das gibt es in keinem Land der Welt. Auch eine Herz-OP oder eine künstliche Hüfte werden bezahlt. In vielen anderen Ländern stirbt oder hinkt man…

WALTER MENNEKES:
Allein das beizubehalten, kostet Geld, das erarbeitet werden muss. Und das bekommen wir nicht mit einer maroden Wirtschaft hin. Ich sage: Wir sind zu wenig stolz auf dieses Land. Aber dazu haben wir allen Grund. Ich möchte in keinem anderen Land leben als in diesem! Unser Land ist toll. Aber wir sind im Moment ganz, ganz stark gefordert. Wir leben von unserer Substanz. Und das muss sich wieder ändern.

Parlelle zu Dieter Bohlen

SVEN GÜNTHER:
Jetzt muss ich lachen. Genau diesen Satz, dass wir von der Substanz leben, hat Dieter Bohlen in unserer Zeitung gesagt. 

WALTER MENNEKES:
Ich schätze ihn, weil er mit dem Wissen erfolgreich wurde, wie die Menschen ticken. Den Geschmack der Leute kann man aber nur treffen, wenn man sie vorher gehört hat, wenn man mit ihnen gesprochen hat.
Er hat Lieder gesungen, die die Menschen hören wollten. Und wir bauen Stecker, die die Menschen haben wollen. Dabei will keiner einen Stecker – aber jeder will den Strom von A nach B bringen. Und dazu BRAUCHEN sie Stecker.

SVEN GÜNTHER
Wie erleben Sie das Bildungsniveau in Deutschland?

WALTER MENNEKES:
Es ist in jedem Fall gut und jeder sollte eine abgeschlossene Ausbildung haben. Nur wer einmal richtig gearbeitet hat, weiß, worum es eigentlich geht und worauf das Sozialsystem aufgebaut ist. Bildung schützt vor Armut.
Deswegen müssen wir unser Bildungssystem immer weiter verbessern. Ich wünsche mir, dass jedes Kind und jeder Jugendlicher gemäß seinen Talenten und Interessen gefördert wird.

SVEN GÜNTHER:
In Neudorf stellt MENNEKES hochmoderne Wallboxen her. Die Firma ist einer der wichtigsten Arbeitgeber, kam 1991 ins Erzgebirge, um zu bleiben… Ein Blick in die Zukunft: Wann glauben Sie, fährt Deutschland so richtig auf E-Autos ab?

WALTER MENNEKES:
Deutschland fährt schon elektrisch, und das mehr und mehr. Und immer öfter sieht man E-Autos auf unseren Straßen. Sachsen und auch MENNEKES im Erzgebirge sind Vorreiter dieser umweltschonenden Technologie. Fast 1.000 unserer Mitarbeiter in der Firmengruppe sind damit beschäftigt. Das wollen und müssen wir in Europa weiter vorantreiben. Wenn wir es nicht machen, machen es die Chinesen. Mit der E-Mobilität Made in Sachsen fahren wir richtig gut – und Ministerpräsident Michael Kretschmer ist uns da ein guter Partner. 

Die Regierung und der FC Bayern

SVEN GÜNTHER:
Die Bundesregierung ist in Nöten, der FC Bayern München auch. Sie als 2. Vizepräsident des Klubs können bestimmt Unterschiede in der Krisenbewältigung ausmachen, oder? 

WALTER MENNEKES:
Herr Günther, der FC Bayern in Nöten? Wer hat Ihnen denn dieses Ammenmärchen erzählt oder sind Sie auf die Cannabis-Freigabe hereingefallen (lacht)? 320.000 Mitglieder können sich nicht irren. Elfmal hintereinander Deutscher Meister. In der Champions League sind wir auch bis heute noch gut dabei. Spielerkader auf Weltniveau, Management und Präsident Herbert Hainer, sowie der Vorstand Jan-Christian Dreesen, sind zukunftsfähig besetzt. Und finanziell besser als alle anderen ist der FCB auch. Also von Nöten keine Spur. Mia san mia. Da steht die Bundesregierung vor ganz anderen Herausforderungen.