Start Pflegenotstand absehbar: Bei vielen Pflegedienstleistern werden die Lücken übergroß
Artikel von: Redaktion
30.10.2015

Pflegenotstand absehbar: Bei vielen Pflegedienstleistern werden die Lücken übergroß

Noch hat man als pflegebedürftiger Mensch gut Lachen. Aber der Notstand bei den Pflegedienstleistern aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung ist bereits sehr stark spürbar.Foto: djd/www.promedicaplus.de
Noch hat man als pflegebedürftiger Mensch gut Lachen. Aber der Notstand bei den Pflegedienstleistern aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung ist bereits sehr stark spürbar. Foto: djd/www.promedicaplus.de

Mittelsachsen. Die Bundesregierung wähnt sich mit Ihren Beschlüssen wieder einmal auf dem richtigen Weg. In einer Pressemitteilung wurde darum verlautbart: Für eine gute und qualitativ hochwertige Pflege braucht es Zeit und Zuwendung sowie gute Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Dann werden noch mehr motivierte und engagierte Menschen den Pflegeberuf ergreifen. Bereits Ende des Jahres 2012 hat die Bundesregierung mit den Bundesländern vereinbart, dass die Zahl der Ausbildungsplätze im Bereich der Altenpflege bis 2015 deutlich erhöht wird. Der Altenpflegeberuf soll attraktiver, die Möglichkeiten von Fortbildungen und Umschulungen verbessert und erleichtert werden.
Damit sollen bis zu 4.000 Pflegehelferinnen und Pflegehelfer für eine weitere Qualifizierung gewonnen werden. Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt die Umschulung zur Altenpflegefachkraft durch die Finanzierung auch des dritten Umschulungsjahres.
Diese Verbesserungen haben bereits erste Erfolge gezeitigt: Die Zahl der Schüler/innen in der Altenpflege ist zuletzt deutlich angestiegen. Geplant ist auch die Umgestaltung der Pflegeausbildung: Eine gemeinsame Grundausbildung und eine darauf aufbauende Spezialisierung im Bereich Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ermöglicht künftig einen leichteren Wechsel zwischen den einzelnen Pflegeberufen. Die Ausbildung soll dabei für alle Pflege-Schüler/innen kostenfrei werden.

Fragt man jedoch in den Pflegeeinrichtungen nach, gestaltet sich die Situation ganz anders. Die beschlossenen Maßnahmen zeigen bisher keine Wirkung. Und wenn man den Prognosen der Pflegedienstleister Glauben schenken will, sind die Aussichten sogar noch wesentlich düsterer.
Der Personalmangel wird zum Teil durch Personaldienstleister gedeckt. Teilzeitkräfte, die aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht mehr ganztags in ihrem Pflegeberuf arbeiten, werden zur Vollzeitarbeit herangezogen, weil sich die Unternehmen nicht mehr anders zu helfen wissen.
Die Mehrarbeit aufgrund des Personalmangels wird zu Lasten der der Angestellten auf deren Schultern verteilt. Durch dieses dauerhafte Mehrbelastung erhöht sich der Krankenstand und das Risiko von Fehlern erhöht sich drastisch.
Wenn man bedenkt, wie man seine Angehörigen und sich selbst im Alter versorgt wissen will, kann einem diese Tendenz regelrecht Angst machen.
Hier sind mehr als Worte und guter Wille gefragt und das schnellstmöglich. Schließlich warnen die Berufsverbände der Pflegedienstleister, die Unternehmen und deren Angestellte schon seit Jahren vor einem drohenden Pflegenotstand.

Dazu die Pflegedienstleiterin eines Seniorenheims im Landkreis Mittelsachsen, die anonym bleiben möchte:
„Von den Maßnahmen der Bundesregierung zur Fachkräftegewinnung im Pflegebereich kommt bei uns nichts an.
Wir arbeiten hier nicht unterbesetzt. Unsere Möglichkeiten zu reagieren sind allerdings beschränkt. Wir können nur unsere Teilzeitkräfte auf Vollzeitarbeit setzen. Das ist jedoch zumeist älteres Personal, das eben aufgrund des Alters oder wegen körperlicher Einschränkungen nur stundenweise arbeiten kann. Langfristig machen diese Menschen auch keine Überstunden für lau.
Mit Arbeitnehmer überlassungen arbeiten wir nicht mehr. Wir haben es versucht, aber wir brauchen eben Fachpersonal und das funktionierte nicht. Der Pflegeberuf ist aufgrund des Schicht- und Wochenenddienstes, und da es sich auch um eine körperlich schwere Arbeit handelt, für viele nicht attraktiv. Zudem sind die Verdienste nicht immens hoch. Der Job ist immer auch eine Berufung.
Das derzeit größte Problem ist und bleibt für uns die Personalgewinnung. Wir sind stets auf der Suche nach geeigneten Fach- und auch Hilfskräften. Aber wenn die neue Praktikantin schon am ersten Tag nicht erscheint und uns irgendwann mitteilt, dass sie leider kein Geld auf der Handy-Karte hatte, und vielleicht morgen kommt, dann muss man eigentlich nichts mehr dazu sagen. Der Fachkräftemangel äußert sich leider auch oft so, dass die Bewerber/-innen, die sich bei uns melden, nur mangelnde schulische Leistungen vorweisen können.“

Eine Wohnbereichsleiterin, aus dem Bethlehemstift Hohenstein-Ernstthal, die ungenannt bleiben möchte:
„Man weiß oft nicht mehr, wie man die Löcher in der Personaldecke noch stopfen soll. Wir verteilen die Arbeit auf die Leute, die da sind. Dadurch ist das vorhandene Personal natürlich über kurz oder lang überlastet, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der Krankenstand steigt. Inzwischen kommen Personaldienstleister in unser Haus. Aber von Fachkräften kann dabei keine Rede sein. Da muss man immer noch jemanden mit zur Seite stellen.“