Start Chemnitz Schüler nerven Frank Heinrich (CDU)
Artikel von: Sven Günther
24.09.2021

Schüler nerven Frank Heinrich (CDU)

Frank Heinrich, Direktkandidat der CDU im Wahlkreis 162 (Chemnitz) und Landesliste Platz 11. Foto: CDU

Klartext, Herr Heinrich

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten, hier meine E-Mail:

Hier antwortet Frank Heinrich, Direktkandidat der CDU im Wahlkreis 162 (Chemnitz) und Landesliste Platz 11.

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Ich wünschte, dass die wohlklingenden Reden – positiv gemeint – manchmal besser klappen würden. Trotz viel Erfahrung habe ich im Bundestag oft noch Lampenfieber. Meine Ziele für Eure Zukunft: Bei der Fernbahnanbindung von Chemnitz bin ich noch nicht fertig. Wenn wir es ernst meinen mit unserem Klima, müssen wir auch für sehr gute klimafreundliche Verkehrsanbindungen sorgen. Hoffentlich schon bald mit Wasserstoff. Außerdem tue ich viel für die Zusammenarbeit zwischen Chemnitz und anderen Ländern. Ich finde es wichtig, über den eigenen Tellerrand zu gucken. Das gilt auch für das Miteinander in unserer Stadt. Mein Ziel ist, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam gute Ideen entwickeln.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Genau deshalb veranstalte ich seit Jahren einmal jährlich eine Schülerprojektwoche. Dabei habe ich schon viele Schülerinnen und Schüler kennenlernen dürfen. Sehr oft war ich wirklich beeindruckt, wie informiert und interessiert sie sind und welche ernsthaften, teilweise auch herausfordernden Fragen sie auf dem Herzen haben. Ich sehe es als einen Teil meiner Aufgabe an, junge Menschen für Politik zu begeistern. Wer gerne einmal in den Bundestag kommen möchte, schaut vorbei! Dann reden wir über Eure Wünsche und meine Vorstellungen von Generationengerechtigkeit, mehr Investitionen in Bildung, Förderung von Familien (auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels), Kinderrentengeld usw.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Zunächst einmal: Wir brauchen beides. Bereiche gegeneinander auszuspielen, ist nicht meins. Weltweit betrachtet, sind wir in der Bildung Champions League, auch wenn Ihr vielleicht an Eurer Schule manches gerne anders hättet. Klar ist auch, dass wir noch besser werden können, dass wir uns weiterentwickeln müssen. Bildung ist ja kein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist. Bei der Rüstungsindustrie habe ich selbst immer Bauchschmerzen. Ja, es ist ein bedeutender Industriezweig, aber in der Champions League? Schaut Euch mal an, wer die größten Waffenhersteller der Welt sind oder welche Länder die größten Armeen haben. Ich bin sehr dankbar, dass Deutschland nicht dazugehört.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Ich habe mich auch schon gefragt, ob wir nicht ein paar mehr kluge Köpfe aus der Wirtschaft bei uns im Bundestag brauchen, um unser Land zu lenken. Die Betonung liegt auf „mehr“, denn es gibt ja bereits einige und an ihnen orientieren wir uns auch. Allerdings ist für erfolgreiche Wirtschaftsleute unser Gehalt in der Tat uninteressant. Ob Politiker deshalb zu wenig verdienen, ist eine sehr heikle Frage. Ich finde, wir verdienen gut. Ob es den hohen Aufgaben angemessen ist, das ist immer eine Diskussion. Ich bin damit zufrieden.

Als Abgeordneter sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Wenn ich eine andere Meinung habe, dann bringe ich sie ein. In der Fraktion, meinen Ausschüssen für Soziales und Menschenrechte usw. Dann ringen wir um die besten Entscheidungen und es kommt vor, dass ich mich der Mehrheit anschließe, auch wenn ich es gerne anders gehabt hätte. Politik geht nicht ohne Kompromisse! Ich biete gerne einmal ein Praktikum an. Wenn es jedoch um mein Gewissen geht, dann sind mir Mehrheiten schnuppe. Dann stimme ich ausschließlich so ab, wie es mein Gewissen für richtig hält. Ein Beispiel: Der Ausstieg aus dem Atomausstieg. Hatte meine Partei wenige Monate vor Fukushima beschlossen. Ich stimmte dagegen. Im Nachhinein gab mir die Katastrophe leider Recht.

Die CDU verspricht unter “#1 Wachstum für Jobs und Wohlstand” Unternehmen von Bürokratie und Fesseln zu befreien. Ist das Ihr Ernst? Unter der jahrzehntelangen Regierungsverantwortung der CDU ist die Bürokratie doch erst richtig ausgeufert.

Ja, auch hier verstehe ich die Bauchschmerzen. Andererseits werden wir nie wissen, wie viel Bürokratie wir mit einer anderen Regierung jetzt hätten. Auf mich kommen immer wieder Leute zu, die dies oder das gerne stärker geregelt hätten. Da halten wir dagegen. Einen gesunden Mittelweg zu finden und vielen unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, ist nicht einfach. Ich kann nicht erkennen, dass die Bürokratie unter der CDU erst richtig ausgeufert ist. Richtig ist, dass wir noch mehr Bürokratie abbauen müssen. Dazu stehen wir und deshalb steht’s auch im Wahlprogramm.

Unsere Eltern und Großeltern kennen den Spruch: Tröpfchen machen Wasser. Warum finanzieren Sie – die Regierungsmacht hätten Sie ja – nicht für jedes Haus eine Fotovoltaik-Anlage? Das wäre ökologisch und eine tatsächliche Entlastung für jeden einzelnen Bürger. Sie aber träumen von einer Trasse, die Strom von der Nordsee in die Alpen bringen soll, was bau- und genehmigungstechnisch ein Jahrhundertprojekt wäre.

Politik versucht immer abzuwägen. Wir brauchen nicht Sonne oder Wind, sondern beides. Zudem Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Für einen klugen und diversen Energiemix werden Trassen genauso wichtig werden wie eine großflächige Nutzung von Solarenergie. Einige Bundesländer gehen voran: Zuerst sollen öffentliche Bauten mit Fotovoltaik-Anlagen ausgestattet werden, in einem zweiten Schritt auch Häuser. Sachsen ist ganz vorn mit dabei. Wir brauchen Gesetze, die festlegen, welches Haus sich eignet und welches nicht, und wie die Anlagen über die Förderung hinaus finanziert werden können. Die vielen Flächen, die wir haben, gilt es tatsächlich zu nutzen.

Beim Thema Bildung liest man, sie möchten den Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen. Das impliziert, dass das heute nicht so ist. Was haben Sie in den letzten Jahren falsch gemacht?

Die Herausforderung liegt im Detail. Ich habe viele Jahre bei der Heilsarmee gearbeitet. Dort hatte ich eng mit Menschen zu tun, für die war Bildung nicht so natürlich erreichbar wie für andere. Das hatte auch oft mit ihrer Familie zu tun. Um diese Leute geht es mir. Ich selbst bin der Erste in meiner ganzen Familie, der tatsächlich Abi und Studium in der Tasche hat. Heutzutage ist hier schon einiges erreicht worden, grundsätzlich ist Aufstieg durch Bildung in Deutschland durchaus möglich. Aber wir können noch besser werden, wenn es darum geht, junge Menschen individueller zu fördern, die keinerlei Unterstützung in der Familie oder im Umfeld haben.

Warum schaffen Sie es nicht, ein Einwanderungsgesetz nach dem Vorbild von Kanada zu erlassen und konsequent umzusetzen? Das Argument “aufgrund unserer Vergangenheit” ist für die Jugend von heute nicht stichhaltig.

Für die Zukunft träume ich von einem solchen Gesetz, das ist mein Fernziel. Als Student habe ich ein Semester in Kanada gelebt. Als Abgeordneter tausche ich mich mit dem kanadischen Botschafter, dem neuseeländischen und dem australischen zu Migrationsfragen aus. Klar geregelte Migration unterteilt in die zwei Bereiche „Flucht & Asyl“ sowie „Einwanderung“ ist unsere Leitlinie. Fraglich ist, ob und wie schnell uns ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild gelingt, das liegt nicht zuletzt an Mehrheiten. Ich setze mich für ein solches Gesetz ein.

#ALLES: Prinzipiell könnte man bei jedem Versprechen in Ihrem Wahlprogramm fragen: “Warum erst jetzt und nicht schon vor Jahrzehnten”! Geben Sie zu, dass die CDU in sehr vielen Bereichen notwendige Modernisierung einfach verpennt hat?

Eure letzte Frage ist sehr allgemein und kommt mir vor wie eine Art Rundumschlag, dass alles Scheiße ist. Überraschung: So sehe ich das natürlich nicht. In einigen Bereichen sind wir vielleicht noch nicht Champions League, aber mindestens Bundesliga. Chemnitz ist ein gutes Beispiel, was Modernisierung und Schnelligkeit des 5G-Anschlusses angeht. Das hätte man vor drei oder vier Jahren noch nicht für möglich gehalten. Auch ist es leichter, ein Land wie Estland zu modernisieren, als ein Land wie Deutschland. Das ist nur eine Erklärung und keine Entschuldigung. Wenn Ihr mehr wissen wollt, kommt auf mich zu und wir diskutieren persönlich weiter…