Start Chemnitz Stefan Tschök veröffentlicht Roman-Fortsetzung
Artikel von: Judith Hauße
08.12.2023

Stefan Tschök veröffentlicht Roman-Fortsetzung

Der Chemnitzer Buchautor Stefan Tschök (r.) und Christian Wobst, Geschäftsführer der Claus Verlag GmbH, bei der Buchlesung in der Frankenberger Zeitwerkstadt.Foto: Claus Verlag GmbH

Im Interview mit dem Buchautor über den Nachfolgerband “Seestern”

Stefan Tschök ist zurück im Bücherregal: Den Erfolg seines Romans „Uferlinien“ im letzten Jahr macht der ehemalige Pressesprecher der Chemnitzer Verkehrsbetriebe im zweiten Teil greifbar. Im November veröffentlichte er erneut mit dem Claus Verlag in Limbach-Oberfrohna den Nachfolgeband mit dem Titel „Seestern – Eine Jugend zwischen Flöha und Zschopau“. Wir kamen mit Stefan Tschök nach seiner Lesung im Erlebnismuseum ZeitWerkStadt Frankenberg ins Gespräch. Hier verrät der Autor, was es mit dem Titel auf sich hat, warum es keine Abrechnung mit der DDR ist und ob es einen dritten Teil geben wird.

Stefan Tschök: „Wann also begann meine Jugend?“

WOCHENENDSPIEGEL: Vorab die Frage: Gab es Reaktionen nach dem ersten Teil „Uferlinien“, die Sie noch heute beschäftigen oder als Inspiration im neuen Buch genutzt haben?
Stefan Tschök: Nachdem „Uferlinien“ am Ende des vergangenen Jahres erschienen war, gab es viele Reaktionen, denn ich war mit dem Buch zu vielen Veranstaltungen und Lesungen unterwegs und hatte ein durchweg positives Echo. Das hat mich natürlich zusätzlich inspiriert, auch an einer Fortsetzung zu arbeiten. Zusätzlich sage ich, weil der Verlag und ich uns unabhängig davon vorgenommen hatten, auch Episoden aus meiner Jugend in einem zweiten Buch literarisch zu verarbeiten.

WOCHENENDSPIEGEL:
„Wann also begann meine Jugend?“ – ein Satz am Schluss Ihres letzten Buches „Uferlinien“, der das zweite Buch „Seestern“ quasi schon so gut wie angedeutet hat. An welches Schlüsselerlebnis Ihrer Jugend haben Sie beim Schreiben dieses Satzes zuallererst denken müssen?

Stefan Tschök: Zuerst einmal habe ich festgestellt, dass man eine ganz klare Trennlinie zwischen Kindheit und Jugend kaum ziehen kann. Die Übergänge sind fließend. Ich glaube ein Schlüsselerlebnis ist tatsächlich in dem Kapitel verortet, in dem ein ehemaliger Mitschüler wegen versuchter Republikflucht vor Gericht steht. Mit jedem Jahr an Lebensalter nahmen wir jungen Leute unsere Umwelt bewusster und auch kritischer wahr. Dieser Prozess ist glaube ich durch die Gerichtsverhandlung bei mir in Gang gesetzt worden.

WOCHENENDSPIEGEL: Der Leser darf sich also auch im neuen Buch über autobiografische Ereignisse freuen?

Stefan Tschök: Die geschilderten Erlebnisse sind im besten Sinne als autofiktional zu bezeichnen. Sie basieren alle auf Erlebnissen, die ich so oder ähnlich hatte. Aber natürlich ist es keine bloße Aneinanderreihung von Episoden. Ich habe versucht, dem Buch eine innere Struktur und einen Handlungsfaden zu geben. Insofern sind die Erlebnisse nur das grobe Gerüst, das literarisch ausgeschmückt wurde.

WOCHENENDSPIEGEL: Viele lesen erst gar nicht Bücher über die DDR-Zeit, weil sie sich bereits im Vorfeld sagen, da kommt jetzt eh bloß wieder der literarische Zeigefinger über die „böse“ DDR. Was ist bei Ihrem Buch anders?

Stefan Tschök: Mein Buch ist alles, aber keine Abrechnung mit der DDR. Ganz einfach, weil ich mit der DDR keine Rechnung offen habe. Viele Dinge gab es, die kritikwürdig waren, aber trotz allem hatte ich eine Jugend, die ich genossen habe. Aus heutiger Sicht kann ich zum Beispiel feststellen, dass das DDR-Bildungssystem uns in Fragen der Allgemeinbildung gut auf das Leben vorbereitet hat. Das nützt mir heute noch. Aber, und das ist wichtig, ich möchte mein Verhältnis zur DDR auch nicht rosarot verklärt sehen. Ich habe mehr als dreißig Jahre in dem Staat gelebt und das Beste draus gemacht. Punkt.
WOCHENENDSPIEGEL: Sie hatten bereits erste Lesungen zum neuen Buch. Was waren die Reaktionen. Ich weiß, dass Sie die Zuhörer gern danach zur Diskussion einladen.
Stefan Tschök: Auch das neue Buch möchte ich gern nutzen, um ganz bewusst sowohl mit Menschen meiner Generation aber auch jüngeren ins Gespräch zu kommen. Gerade durch den Austausch wird für viele eine selbst erlebte Zeit reflektiert und die Gespräche helfen auch mir, Erlebnisse aus heutiger Sicht richtig einzuordnen, denn wenn ich etwas nicht will, dann ist es, mit den Büchern eine Traumwelt zu schaffen, die es so nicht gab.

WOCHENENDSPIEGEL: Warum der Buchtitel „Seestern“? Weil, wenn er sich einmal festgesaugt hat, es schwer ist, ihn wieder loszubekommen, oder wie kam es zu diesem Titel?

Stefan Tschök: Sie benutzen eine wunderschöne Metapher und ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Tatsächlich sollte der Titel auffallen und natürlich trotzdem einen Bezug zum Inhalt haben; der „Seestern“ war ein Geschäft in Flöha, ganz nahe meiner Schule. Mehr wird aber nicht verraten.

WOCHENENDSPIEGEL: Welche Ereignisse haben Sie am meisten geprägt als Jugendlicher und bis heute?

Stefan Tschök: Es fällt mir schwer, da etwas hervorzuheben. Vielleich kann ich es so beschreiben: Mit jeder Woche und jedem Monat sind wir jungen Leute damals selbständiger geworden. Das war auf der einen Seite ein schöner Prozess, denn wir waren stolz, mehr und mehr unser Leben selbst in die Hand nehmen zu können.
Wir spürten aber auch, dass es tatsächlich so etwas wie den „Ernst des Lebens“ geben musste … das wiederum waren dann die Mühen der Ebenen. Aber aus heutiger Sicht würde ich resümieren, vielleicht doch nicht Alles falsch gemacht zu heben.

WOCHENENDSPIEGEL: Was raten Sie jungen Menschen, die über die DDR reden bzw. urteilen, sie aber nie selbst erlebt haben?

Stefan Tschök: Ich fände es wunderbar, wenn sich junge Menschen, die die DDR allein wegen ihres Lebensalters nicht kennenlernen konnten, mit authentischen Materialien befassen würden, um so ein besseres Bild davon zu erhalten, in welchem Staat die Eltern und Großeltern einen Großteil ihres Lebens verbracht haben.
Wünschen würde ich mir zum Beispiel auch, dass solche Texte und Dokumente auch in den Unterrichtsstoff zum Beispiel der Gymnasien einfließen. Wenn es Interesse gibt, stehe ich gern für Gespräche in Schulen bereit.

WOCHENENDSPIEGEL: Wird es einen dritten Teil geben?

Stefan Tschök: Die ersten Manuskriptseiten des dritten Teils, der sich meiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee widmen wird, sind bereits geschrieben.

Lesung in Limbach-Oberfrohna

Stefan Tschök liest am Dienstag, 12. Dezember, ab 19 Uhr im Kulturkeller Limbach-Oberfrohna aus seinem Buch “Uferlinien“.