Start Erzgebirge Täglich Frenzel: Detektive am Werk
Artikel von: Sven Günther
02.09.2016

Täglich Frenzel: Detektive am Werk

IMG_1463

Täglich Frenzel

Von Sven Günther
Kurort Oberwiesenthal. Er ist Weltmeister, Olympiasieger und einer der erfolgreichsten Wintersportler der Welt. Viermal gewann Eric Frenzel (Foto) den Gesamtweltcup in Serie.
Aufgrund einer Verletzung ist er aus dem Sommer-Grand-Prix ausgestiegen, berichtet aber für www.wochenendspiegel.de über die Vorbereitungen und die Wettkämpfe in einer täglichen Kolumne.

Detektive am Werk

Der Sommer Grand Prix ist so etwas wie Training unter Wettkampfbedingungen und gibt wichtige Hinweise im Rahmen der Vorbereitung auf die nächste wichtige Saison mit den Weltmeisterschaften als Höhepunkt. Wir alle arbeiten …an Kleinigkeiten! Kleinigkeiten, die am Ende über Medaillenträume entscheiden: zwei Meter mehr beim Sprung, 10 Sekunden Vorsprung in der Loipe. Man ist fast an Laborbedingungen erinnert, alles wird ausgewertet, alles wird bedacht im Kampf um Geschwindigkeit und Zeit.

Auf die „großen“ Dinge achten wir nicht mehr. Die Anfahrt beim Skisprung, das Timing beim Absprung – diese Dinge sind automatisiert und sitzen.

Nein, wir forschen nach den Kleinigkeiten. Beim Skispringen ist die Haltung entscheidend für den Flugverlauf und die Weite. Also geht es darum, Haltung zu bewahren. Die V-Stellung ist für die Nutzung des Auftriebs, für die Nutzung des Luftpolsters entscheidend. Daher analysieren wir mit den Trainern gemeinsam, wie wir in der Luft stehen. Ist das „V“ gleichmäßig gestellt, wenn nicht, warum nicht. Hängt ein Schenkel des V kann das viele Gründe haben. Auch Mediziner und Biomechaniker schauen jetzt darauf. Kann ein Sportler das „V“ gar nicht richtig stellen, weil die Bauchmuskulatur auf einer Seite nicht richtig arbeitet. Arbeitet sie nicht richtig, weil die Muskelfacien verklebt sind, durch Gewebeflüssigkeiten, vielleicht nach einer Erkältung? Muss der Sportler dann schleunigst zur Manualtherapie, um die Muskeln zu entblockieren, damit im Training das „V“ ordentlich gestellt werden kann?

Sind die Arme während des Flugs parallel und an der richtigen Position im Hinblick auf den Luftwiderstand? Ist die Telemark-Landung technisch sauber, um die Punktrichter zu überzeugen, d.h. sind die Arme bei der Landung senkrecht vom Körper gestreckt, ist der Ausfallschritt groß genug und nicht zu breit? Wird er ordentlich ausgefahren?

Derzeit wird alles unter die Lupe genommen, vom Absprung bis zur Landung.

Immer wieder wird dies auch durch Materialtest begleitet. Ski , Bindung und Anzug haben selbstverständlich auch ihren Anteil an einem mustergültigen Skisprung.

Mir macht diese Vorbereitung immer wieder immens Spaß, wenn man Kleinigkeiten entdeckt, die eine Optimierung der Leistung bedeuten können. Man ist in eigener Sache ein kleiner Detektiv und lernt die komplexen Zusammenhänge, die hinter einer Sportart stehen, genau kennen.

Ein guter Sprung , ein guter Lauf bei der nächsten Weltmeisterschaft wird das Ergebnis eines Prozesses sein, der hunderte Faktoren zu einem Ganzen verzahnt.

Ich arbeite weiter daran, auch wenn ich im Moment von außen zusehen muss.

Herzlichst
Eric

Diese Kolumne wird präsentiert von

eins_Logo_weisser_Hintergrund