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Artikel von: Sven Günther
23.12.2019

Welche Kröten mussten Sie schlucken, Herr Dierks?

CDU Generalsekretär Alexander Dierks sprach mit WochenENDspiegel-Chefredakteur Sven Günther (Foto links) über den Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und GRÜNEN.Foto: CDU,Thorsten Schmidt

Zur Sache, Herr Dierks!

Von Sven Günther
Region. Er ist der Mann, der den Laden zusammenhält. Alexander Dierks. 32 Jahre jung. Politologe Seit Dezember 2017 CDU-Generalsekretär. Strippenzieher. Nachdenker. Richtungsgeber. Mit Professor Werner Patzelt verfasste Dierks das Wahlprogramm der Christdemokraten.
Mit dem WochenENDspiegel sprach er am Telefon über den Kenia-Koalitionsvertrag.

WOCHENENDSPIEGEL:
Die drei Parteien CDU, SPD und GRÜNE werden davon sprechen, dass der Koalitionsvertrag jeweils IHRE Handschrift trägt. Welche Kröten musste die CDU schlucken, damit die Unterschriften unter das Papier kommen konnten?

ALEXANDER DIERKS:
Als CDU konnten wir sehr viele Punkte im Koalitionsvertrag festschreiben, die uns wichtig sind.
Ich würde deshalb nicht davon sprechen, dass wir „Kröten schlucken“ mussten.
Vernünftige Kompromisse gehören einfach dazu, wenn sich drei Partner einigen wollen. Sicher hätten wir zum Beispiel gern weiterhin das Landwirtschaftsministerium geführt.
Andererseits ist es uns gelungen, dass jetzt ein neues Ministerium für Strukturentwicklung kommt, das sehr große Gestaltungsmöglichkeiten z.B. für den ländlichen Raum und den Strukturwandel hat.

WOCHENENDSPIEGEL:
Im Gegenzug: Welche Punkte wurden gegen Einwände der SPD und der GRÜNEN vereinbart?

ALEXANDER DIERKS:
Auf unsere Verhandlungserfolge wie 1.000 Polizisten mehr, die Landarztquote den Erhalt des gegliederten Schulsystems und der Kopfnoten oder das Bekenntnis zum Ausbau der A4, hätten Grüne und SPD sicher gern im Koalitionsvertrag verzichtet.
Hier haben wir aber ganz klar Wort gehalten. Und zwar nicht, um etwas durchzusetzen, was die beiden anderen Koalitionspartner anders sehen, sondern weil wir als CDU überzeugt davon sind, dass diese Dinge wichtig für unser Land sind.

WOCHENENDSPIEGEL:
Mehr Polizisten, mehr ÖPNV, mehr Lehrer, ein besserer Betreuungsschlüssel in Kitas. Woher sollen all die Arbeitskräfte kommen, die es dafür braucht?

ALEXANDER DIERKS:
Indem wir die Attraktivität dieser Berufe und Ausbildungsbedingungen weiter steigern. Nur so entschließen sich noch mehr Menschen dazu, diese Berufe zu ergreifen.
Ich denke hier z.B. an die TU Chemnitz, an der wir die Lehrerausbildung stärken oder das Projekt „Männer in den Kitas“, mit dem wir mehr Männer für den Beruf des Erziehers gewinnen wollen.

WOCHENENDSPIEGEL:
Und wie zwingen Sie die Ärzte aufs Land?

ALEXANDER DIERKS:
Wir zwingen keinen Arzt aufs Land. Wir werden unseren Anteil leisten, dass es attraktiver wird, als Mediziner in ländlichen Regionen zu praktizieren. Hier geht es z.B. um Bürokratieabbau für Ärzte, damit es weniger Hürden gibt, eine eigene Praxis zu führen.
Außerdem gibt jetzt schon ein Stipendienprogramm, bei dem sich Medizinstudenten nach ihrer Ausbildung verpflichten für eine bestimmte Zeit in ländlichen Regionen zu arbeiten.
Für mehr Ärzte auf dem Land kann auch das Medizinstudium in Chemnitz sorgen, das eingeführt wird. Junge Ärztinnen und Ärzte sind damit schon während ihres Studiums näher an ländlichen Regionen wie z.B. dem Erzgebirge.

WOCHENENDSPIEGEL:
Der ländliche Raum soll gestärkt werden. Frank Vogel, der Landrat des Erzgebirges, sieht den Koalitionsvertrag mit „gemischten Gefühlen“, weil in den „prioritären Maßnahmen der ländliche Raum keine Erwähnung findet. Ein Ministerium für den ländlichen Raum macht aber nur dann Sinn, wenn auch ein entsprechender finanzieller Handlungsspielraum abgesteckt wird.“ Wie beruhigen Sie ihn?

ALEXANDER DIERKS:
Ich muss ihn da gar nicht beruhigen, weil Frank Vogel bei den Koalitionsverhandlungen dabei war und sehr engagiert für die Belange der ländlichen Regionen gekämpft hat.
Dafür sind wir ihm dankbar, denn im Gegensatz zu Grünen und SPD sind wir als CDU auf kommunaler Ebene sehr stark verwurzelt. Wir haben in den vergangenen Jahren schon gezeigt, dass wir die Kommunen in Sachsen nach Kräften unterstützen.
Das verstärken wir in den kommenden Jahren noch weiter mit dem neuen Ministerium, dass u.a. für Strukturentwicklung, Städtebau und die Umsetzung vieler EU-Projekte für die kommunale Ebene zuständig sein wird.

WOCHENENDSPIEGEL:
Welchen finanziellem Handlungsspielraum hat das neue Ministerium?

ALEXANDER DIERKS:
In diesem neuen Ministerium werden Aufgabenbereiche konzentriert, die vorher in anderen Häusern lagen, außerdem werden neue Aufgaben hinzukommen.
Der Landtag hat im Rekord-Haushalt 2019/2020 für das nächste Jahr rund 21 Milliarden Euro bewilligt. Circa 700 Millionen Euro der Ausgaben sind für 2020 im Bereich Umwelt/Landwirtschaft geplant.
Ein Teil davon wird sicher ins Budget des neuen Ministeriums fließen. Ebenso wie z.B. die Ausgaben für den Bereich Bau, der vom Staatsministerium des Innern in das neu geschaffene Staatsministerium wechseln wird. Hinzu kommen Mittel des Bundes zur Gestaltung des Strukturwandels.

WOCHENENDSPIEGEL:
Die kommunalen Spitzenverbände halten die Koalition an, in ihren Zielen realistisch zu bleiben! Welche Ziele sind im Koalitionsvertrag unrealistisch?

ALEXANDER DIERKS:
Für uns als CDU ist Politik nicht das Aufzählen von Luftschlössern, bei denen man nicht wirklich weiß, wie man sie realisieren kann.
Wir haben deshalb alle Vorhaben daran gemessen, ob sie mit einem soliden Haushalt ohne neue Schulden umsetzbar sind und Sachsen auch über die nächsten fünf Jahre hinaus weiter nach vorne bringen.
Natürlich braucht es da auch Visionen und den Mut Herausforderungen mit neuen Konzepten anzugehen.
Wenn wir jetzt die Arbeit so angehen, halte ich alle Vorhaben des Koalitionsvertrages für realistisch umsetzbar.