Start Der EHV und die "Sachliche Romanze"
Artikel von: Sven Günther
15.11.2023

Der EHV und die “Sachliche Romanze”

Perfekt! Hier unterschreibt Olafur Stefansson seinen Vertrag beim EHV Aue, sitzt schon gegen Vinnhorst auf der Bank und hofft, mit der Mannschaft einen Sieg feiern zu können.
Perfekt! Hier unterschreibt Olafur Stefansson seinen Vertrag beim EHV Aue, sitzt schon gegen Vinnhorst auf der Bank und hofft, mit der Mannschaft einen Sieg feiern zu können. Foto: EHV Aue/Manja Gehlert

Weltstar Stefansson soll den EHV retten

Lößnitz. Irgendwann hat sie sich aus der Kabine des EHV Aue geschlichen, die Zuneigung zwischen Mannschaft und Cheftrainer Stephan „Apollo“ Just. Unbemerkt und nimmer wiedergesehen. Klammheimlich verschwunden, dieses flatterhafte Wesen namens Liebe.

„Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden,
wie andern Leuten ein Stock oder Hut“,

schrieb der große Erich Kästner am Anfang seines Gedichtes „Sachliche Romanze“, notierte dann weiter:

„Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.“

Dann schickte Kästner seine Protagonisten, nachdem sie einen Mensch Klavier üben hörten, ins kleinste Café im Ort, wo sie in ihren Tassen rührten, kein Wort sprachen und es nicht fassen konnten.

EHV-Verantwortliche handeln

Diesen Schritt machten die Verantwortlichen des EHV Aue nicht, nachdem sie festgestellt hatten, dass die Beziehung Mannschaft/Trainer zerrüttet war. Nein. Sie setzten sich mit dem Vorstand zusammen, wogen ab und entschieden schweren Herzens: Wir trennen uns von Stephan „Apollo“ Just.

EHV-Geschäftsführer Rüdiger Jurke: „Unser Bilanz war miserabel: Von zehn Spielen neun verloren, einige knapp, einige krachend. Es ging nicht mehr, wir mussten die Notbremse ziehen, verhindern, dass wir zu Weihnachten mit zehn Punkten Rückstand keine Chance mehr auf den Klassenerhalt haben.“

Was diese Entscheidung mit den Spielern machte, ist rational nicht zu erklären!

Nach sieben Spieltagen schrieben wir: „Fest steht, dass sich in den Köpfen der EHV-Spieler eine Art Mehltau auf das Handballspiel-Verständnis gelegt zu haben scheint. Einfachste Abläufe funktionieren nicht mehr, klarste Chancen werden nicht genutzt, die Defensive zeigt sich mürbe und nicht mächtig. Als hielte ein kleines Teufelchen im EHV-Getriebe die Rädchen fest, holpert und stolpert es auf dem Parkett.“

Stephan “Apollo” Just wirkte nach der Derby-Niederlage des EHV Aue gegen Dresden ratlos, räumt ein, nicht die richtigen Worte in der Ansprache an die Mannschaft gefunden zu haben. Mit seiner Entlassung aber hatte er nicht gerechnet. Foto: Manja Gehlert.

Nichts davon mehr zu sehen im Spiel beim Aufstiegs-Aspiranten (!!!) vom TuS N-Lübbecke. 13 Paraden von Sveinbjörn Petursson, Tore von allen Positionen, klare Abläufe, starke Defensive. Helmut Netsch fand für seine EHV-Kolumne heraus, dass die Torwurfeffektivität von 58 auf 66 Prozent nach oben sprang. Zitterten den Werfern in den vorangegangenen Spiele Knie und Hände gleichermaßen, war davon nichts mehr zu sehen. Aufstiegstrainer Apollo muss sich die Haare raufen, wenn er gesehen hat, wie die Mannschaft so spielte, wie er es sich gewünscht hat.

Der EHV siegt in Lübbecke

Statt seiner saß Philipp Braun auf der Bank des EHV, erklärte den 31:27-Sieg so: „Nach turbulenter Woche hatten wir uns hier viel vorgenommen. Mitte der 1. Halbzeit passiert uns ein 0:5-Lauf, doch unsere Mannschaft kommt da raus und wir führen mit plus 3 zur Pause. Auch in den ersten zehn Minuten der 2. Halbzeit agieren wir gut. Wir haben dann vorübergehend Probleme im Positionsangriff. Aber vor allem unser guter Torwart und der gute Rückzug lässt uns mit plus 4 aus dem Match gehen. Wir sind stolz auf die Mannschaft!“

Rüdiger Jurke schwärmte: „Der Sieg war auch völlig verdient. Wir hatten sogar Bengt Bornhorn – sowohl als Motivator als auch als Ruhepol – auf die Bank gesetzt. Auch das hat funktioniert. Es hat endlich wieder mal richtigen Spaß gemacht, von einem Auswärtsspiel nach Hause zu fahren.“

EHV klingelt beim Weltstar

Ausruhen konnte sich Jurke nicht. TRAINERSUCHE für den EHV stand bei ihm und bei Sportchef Stephan Swat auf der Agenda. Jurke: „Wir bekamen von vielen Leuten Unterstützung. Runar Sigtryggsson, Bob Hanning oder Rainer Osmann haben sich mit umgehört.“ Schließlich kristallisierte sich ein gaaaanz großer Name immer deutlicher heraus. Der Name eines Weltstars: Olafur Stefansson.
Telefonate und Video-Gespräche folgten, dem großen vierfachen Champions-League-Sieger wurde die Philosophie des kleinen EHV Aue vorgestellt. Stefansson trainierte bereits den isländischen Erstligisten Valur Reykjavik und fungierte als Co-Trainer der Nationalmannschaft seines Heimatlandes. In der letzten Saison war er als Co-Trainer beim Erstligisten HC-Erlangen tätig – und der 50-Jährige hatte sich über den EHV schlau gemacht, kannte die Spieler, präsentierte Ideen. So einigte man sich auf eine Zusammenarbeit vorerst bis zum 30. Juni 2024. Handschlag. Unterschrift. Ab zum Training.

EHV empfängt Mitaufsteiger

Was Stefansson nur vom Hörensagen kennt, ist die Stimmung in der Erzgebirgshalle. Rüdiger Jurke: „Schon deshalb – und weil es am Sonntag, 17 Uhr gegen unseren Mitaufsteiger Vinnhorst um extrem wichtige Punkte geht, wünsche ich mir, dass die Halle kocht und möglichst viele Fans zu uns kommen.“ Die Liebe zwischen den Fans und ihrem EHV Aue. Sicher wird die sich nicht so einfach klammheimlich davonschleichen…