Start Die beste Diät gegen Adipositas? Wissen!
Artikel von: Sven Günther
01.09.2023

Die beste Diät gegen Adipositas? Wissen!

Nudeln statt Obst. Viele Kinder in Sachsen ernähren sich falsch, werden dick. 3,8 Prozent der Jungen und Mädchen sind krankhaft adipös. Symbolbild: pixabay.com

Wissen kann Adipositas stoppen

Region. Die Meldung ging vor wenigen Tagen durch alle Medien: Kinder in Sachsen bekommen immer häufiger die Diagnose Adipositas, hatte die BARMER in die Redaktionen geschickt und mit Zahlen belegt. Demnach hatten im Jahr 2012 etwa 13.700 sächsische Jungen und Mädchen im Alter bis 14 Jahre die Diagnose Adipositas erhalten. Im Jahr 2021 waren es bereits fast 20.500.

Die Schlagzeilen folgten:

Erschreckende Arztstudie: Sachsens Kinder seit Corona immer dicker

Corona hat Sachsens Kinder noch dicker gemacht

Adipositas-Alarm in Sachsen: 49 Prozent mehr stark übergewichtige Kinder!

Himmel hilf, schreit es in einem – und dann schaut man nochmal auf die Zahlen und liest: Sachsen liegt mit einem Anteil von 3,8 Prozent adipöser Kinder und Jugendlicher über dem Bundesdurchschnitt von 3,6 Prozent.

3,8 Prozent ??? Dann sind ja 96,2 Prozent der Kinder NICHT krankhaft fettleibig. Wo ist dann das Problem? Wieder eine falsche Wahrnehmung der Medien? Alles Übertreibung? Adipositas-Fehlalarm?

Claudia Szymula, die Landespressesprecherin der BARMER erklärt es: “Die Krankenkassendaten stellen nur die „Spitze“ des Eisberges dar. Denn nur, wenn das Übergewicht bereits krankhaft ist und dies von den Kinderärzten entsprechend als Krankheit verschlüsselt wird, ist es in den Abrechnungsdaten der Krankenkassen sichtbar. Die Vorstufen bis dahin sind meist unzureichend erfasst. Daher wird das gesamte Ausmaß vermutlich erst in den nächsten Jahren sichtbar werden.”

Claudia Szymula, die Landespressesprecherin der BARMER. Mit ihr sprachen wir zum Thema Adipositas. Foto: BARMER

Die Expertin im Interview

WOCHENENDSPIEGEL:

Worin sehen Sie (Ihre Experten) die Ursachen für den Zuwachs?

CLAUDIA SZYMULA:

Die Hauptursachen für Übergewicht bei Kindern sind im Grunde die gleichen wie bei Erwachsenen: falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Fertigprodukte wie Tiefkühlpizza, Pommes, gesüßte Frühstücksflocken, Softdrinks, süße Tees, Knabberartikel, Süßigkeiten, Fleisch, Wurst sind oft die Leibgerichte vieler Heranwachsender, aber auch vieler Erwachsener.

Diese Lebensmittel enthalten viel Fett und Zucker, sind oftmals preiswerter als frische, saisonale Lebensmittel und sie machen in der Zubereitung wenig bis keine Arbeit. Es wird immer seltener gemeinsam zu Hause gegessen. In immer weniger Familien wird noch selbst gekocht. Kommt dann noch Bewegungsmangel dazu, wachsen auf Dauer die Fettpolster.

WOCHENENDSPIEGEL:

War Corona ein Adipositas-Katalysator?

CLAUDIA SZYMULA:

Die Pandemie und die damit einhergegangenen Einschränkungen haben den Bewegungsmangel insbesondere bei den Heranwachsenden bis 14 Jahren verstärkt und sich zusätzlich negativ auf das Ernährungsverhalten ausgewirkt. Bei den Kindern und Jugendlichen finden sich die höchsten Zuwachsraten von 2020 auf 2021.  Die Diagnose krankhaftes Übergewicht erhielten 18 Prozent mehr Kinder. So sind allein in einem Jahr etwa 3.200 Kinder mit Adipositas-Diagnosen hinzugekommen. Die Pandemie, der wachsende Bewegungsmangel, dazu noch häufiger Ausfall des Sportunterrichts, gepaart mit ungesunder Ernährung verstärkt im wahrsten Sinne des Wortes ein immer dicker werdendes Problem.

Wissen vs. Adipositas

WOCHENENDSPIEGEL:

Würde aus Ihrer Sicht ein Werbe-Verbot für Süßigkeiten eine relevante Wirkung haben?

CLAUDIA SZYMULA:

Ziel muss sein, die Gesundheitskompetenz der Kinder, ja der gesamten Bevölkerung zu fördern, indem man positive Anreize setzt. Da Übergewicht auch häufig mit niedrigem Bildungsstatus verbunden ist, braucht es frühe Ansätze für Bildung, die schon im Kindesalter einsetzt. 

Das Wissen um eine gesunde Lebensführung muss daher bereits in Kitas und Schulen vermittelt werden. Dabei ist für die Kinder ein spielerischer Umgang mit dem Thema wichtig.

Das Arbeiten mit erhobenem „Zeigefinger“ und mit Verboten ist bei Kindern und Erwachsenen eher wenig zielführend. Dass eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung helfen, unnötigen Kilos vorzubeugen, das sollten die Kinder sowohl in der Kita und Schule als auch zu Hause lernen und erleben. Beim Kampf gegen die Kilos helfen mehr aktive Bewegungspausen, gesundes Schul- und Kitaessen und ein Schulfach Gesundheit mit Programmen, die die Gesundheitskompetenz stärken.

Eltern sind Vorbilder

WOCHENENDSPIEGEL:

Entwickelt sich die Adipositas bei Erwachsenen und Kindern parallel? Könnte man es auf die Spitze treiben und sagen: Dicke Eltern = dicke Kinder?

CLAUDIA SZYMULA:

Die Vorbildwirkung in Schule und Elternhaus ist enorm. Minderjährige werden in ihrem Essverhalten stark von den Eltern beeinflusst. Wenn diese jeden Abend mit der Chipstüte vor dem Fernseher sitzen, wird der Nachwuchs es ihnen bald nachmachen. Insofern liegt es nahe, dass dicke Eltern ihre Ernährungs- und Alltagsgewohnheiten weitergeben.

Die Entwicklung der Diagnosen Adipositas bei Erwachsenen ab 20 Jahre zeigt einen kontinuierlichen Anstieg und die Werte befinden sich im Jahr 2021 auf einem vorläufigen Höchststand. Das ist sehr besorgniserregend. Denn Übergewicht und vor allem Adipositas können schwerwiegende Folgen haben. Dazu gehören Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und das metabolische Syndrom. Von diesem spricht man, wenn Übergewicht, besonders Adipositas, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung gemeinsam auftreten. 

Kampf gegen Adipositas

Die BARMER engagiert sich daher seit längerer Zeit für die Schulung von Lehrern sowie anderen Pädagogen zu Genussbotschaftern im Rahmen der Initiative „Ich kann kochen!“. Initiatoren sind die Sarah Wiener Stiftung und die BARMER. „Ich kann kochen!“ verfolgt das Ziel, Mädchen und Jungen im Kita- und Grundschulalter zu erreichen und diese für gesunde Ernährung zu sensibilisieren.

Claudia Szymula:

“Gerade für Kinder aus einem sozial schwächeren Umfeld sehen wir die Chance, das Bewusstsein bei den Kindern zu stärken und dieses auch zurück in die Familien zu tragen. Für alle Eltern bietet die Familienküche mit verschiedenen, einfach umzusetzenden Rezepten Unterstützung im Alltag. Mit DURCHBLICKT! fördert die Kasse ein Präventionsprogramm für Schulen, Lernende und Eltern, mit dem Fähigkeiten, wie beispielsweise das Suchen und Finden von verlässlichen Gesundheitsinformationen, unterstützt werden.”