Start Chemnitz Kleine Einsteins in Not
Artikel von: Redaktion
07.12.2015

Kleine Einsteins in Not

Erst die ganz normalen Buchstaben dann die hohe Kunst. Nach Johanna (v.l.) und Lance hilft Französich- und Arabisch-Lehrer Ghenai Lakhdar nun Anne. Auf dem Stundenplan der BIP Grunschule Chemnitz des BIP Kreativitätszentrums Leipzig steht arabische Kalligrafie. Foto: bit
Erst die ganz normalen Buchstaben dann die hohe Kunst. Nach Johanna (v.l.) und Lance hilft Französich- und Arabisch-Lehrer Ghenai Lakhdar nun Anne. Auf dem Stundenplan der BIP Grunschule Chemnitz des BIP Kreativitätszentrums Leipzig steht arabische Kalligrafie. Foto: bit

Chemnitz.„Ich lese aktuell mit meinem Sohn abends zum Einschlafen zwei Seiten im Lexikon,“ erklärt Mia, Mutter eines fünfjährigen Kindes, bei dem in diesem Jahr die Hochbegabung diagnostiziert wurde.

Doch statt dies an die sprichwörtlich große Glocke zu hängen, verbirgt sie das Thema vor anderen. Nur wenige in ihrer Familie wissen über die Thematik Bescheid. Zu groß sind die Vorurteile und Probleme, mit denen Eltern von Kindern mit Hochbegabung leben müssen.

Stattdessen „sehnen sich viele Eltern ein ‚normales‘ Kind zu haben,“ erklärt Arnd Gläser, Schulleiter der BIP Kreativgrundschule in Chemnitz.

Er hat täglich mit Eltern und Kindern zu tun, die mit ihrer Sonderstellung an die Grenzen stoßen.

„Natürlich gibt es Eltern, die auch den Wunsch hegen, dass ihre Kinder intelligenter sind und deswegen diese durch zu viele Informationen überfordern. Diese sind jedoch meiner Erfahrung nach eher die Ausnahme,“ so Gläser.

Die Kreativschule bietet ein ganztägiges Schulangebot, mit Fokus auf kleinen Klassen, Doppellehrerbetreuung und einem vielseitigen Angebot liegt, wodurch eine allseitige Persönlichkeitsentwicklung der Kinder stattfindet.

In der Kreativschule lernen Kinder mit und ohne Hochbegabung zusammen, auf diese Weise können sie sich auch gegenseitig unterstützen. Trotz der Unterschiede sind die Klassen homogener, denn die Defizite werden schneller ausgeglichen.

Wenn man Hochbegabung hört, müssen sich Betroffene häufig mit Vorurteilen, wie „sie wollen ja nur ein besonderes Kind haben“ auseinander setzen. Doch für Eltern und Kinder ist Hochbegabung häufig ein Spießrutenlauf zwischen eingefahrenen Meinungen und der adäquaten Förderung.

„Für die Kinder ist dies eine enorme Belastungssituation. Denn zum einen sind sie in einigen Bereichen weiterentwickelt und zum anderen sind sie aber auch auf dem gleichen Stand, wie die anderen Kinder in ihrem Alter. So ergibt sich für die Kinder ein extremes inneres Spannungsfeld, das sich schnell zu inneren Konflikten entwickeln kann,“ erklärt Gläser.

Sie merken schnell, dass sie anders sind. Werden sie nicht adäquat gefördert, können auch Verhaltensauffälligkeiten die Folge sein. Im schlimmsten Fall machen sie absichtlich Fehler, um genauso zu sein wie ihre Freunde.

„Gerade für die jüngeren Kinder ist die Situation sehr schwierig,“ erklärt Jaqueline Hofmann von Elternarbeit Sachsen. Dabei weiß die junge Frau genau wovon sie spricht.

Sie ist selbst Mutter eines hochbegabten Sohnes und kann sich deshalb auch in die Gefühlswelt von Eltern hineinversetzen.

„Als Eltern stößt man schnell an seine Grenzen. Doch müssen diese stets den positiven Blick auf ihr Kind und die Situation behalten,“ weiß sie und fügt hinzu:

„Gleichzeitig haben Eltern Angst vor dem Spagat zwischen Kindsein und dem ständigen Verlangen nach Informationen.“

Natürlich ist so eine Hochbegabung und die gerechte Förderung häufig auch ein finanzieller Aspekt, denn die Bildungseinrichtungen verlangen monatliches Schulgeld. Mittel, die beispielsweise finanziell schwacherer Familien nicht haben. So geraten die kleinen Einsteins gleich doppelt in Not.

Einige kommunale Schulen bieten ebenfalls spezielle Betreuung für Kinder mit Hochbegabung an.

„In Chemnitz betrifft dies die Grundschule Siegmar und die Albert-Einstein-Grundschule,“ weiß Gläser.

Diagnostiziert wird die Hochbegabung übrigens über anerkannte Psychologen in Meißen und Leipzig. Eine verlässliche Aussage kann jedoch aber erst ab einem Alter von fünf Jahren gegeben werden.

„Zwar ist so eine Testung nicht zwingend notwendig, aber gerade für Erzieher ist die diagnostizierte Hochbegabung sinnvoll,“ erklärt Hofmann.

Sie bietet in ihrer Einrichtung,  Limbacher Straße 24, einen regelmäßigen Treff für Eltern hochbegabter Kinder an. Nächster Termin ist am 25. Januar 2016, 17 Uhr.