Start Chemnitz Von Turnträumen zur Europameisterin
Artikel von: Redaktion
08.09.2023

Von Turnträumen zur Europameisterin

Turnerin Emma Malweski trainiert in Chemnitz, wurde im letzten Jahr Europameisterin. Foto: Kyriaki Linoxylaki

Emma Malewski und ihre Zeit am Sportgymnasium

Chemnitz. Vor zwei Jahren beendete ich meine Laufbahn am Sportgymnasium Chemnitz, einer Einrichtung, die nicht nur für ihre akademische Exzellenz bekannt ist, sondern auch für die hervorragende Förderung von sportlichem Talent. Als ehemalige Schülerin und Turnerin kann ich mich noch gut an die Trainingseinheiten, die Wettkämpfe und die starken Bindungen erinnern, die ich während meiner Zeit an dieser Schule aufgebaut habe. Daher freut es mich besonders, hier zu sein und ein Gespräch mit meiner ehemaligen Turnkameradin und Europameisterin des letzten Jahres, Emma Malewski, führen zu dürfen.

Der Wechsel nach Chemnitz

Der Chemnitzer Stützpunkt zieht jedes Jahr Athleten aus ganz Deutschland an. Dies verdankt er nicht zuletzt seiner modernen Ausstattung, die das Sportgymnasium, die Sportoberschule und das Internat bieten, sowie den zu Fuß erreichbaren Trainingsstätten der Sommersportarten. Nach Chemnitz zu ziehen, war ein Meilenstein in Emmas Karriere. Ein Tipp der damaligen Bundestrainerin Ulla Koch führte sie in diese Richtung, als klar wurde, dass ihr Heimatverein nicht mehr den gewünschten Rahmen bot. Ich erinnere mich, wie Emma mir damals von ihren Bedenken erzählte, soweit von zuhause wegzuziehen: „Doch schon am ersten Tag meiner Probewoche verliebte ich mich in das intensive Trainingsumfeld und die herzliche Aufnahme in Chemnitz.“ Der Wechsel an die Eliteschule brachte nicht nur härteres Training, sondern auch zunächst anspruchsvollere schulische Anforderungen. Die Unterstützung von Lehrern, ihrer Trainingsgruppe und Mitschülern halfen Emma dabei, sich in ihrer neuen Umgebung schnell einzufinden.  Davon profitiert sie auch heute noch. Im Hinblick auf die anstehende Weltmeisterschaft gab es Einzelgespräche mit dem Schulleiter und Trainer, um ihren Stundenplan anzupassen. So werden manche Unterrichtsfächer auf die Ferien ausgelagert, um mehr Trainingseinheiten zu ermöglichen. „Das bedeutet natürlich auch, dass ich viel selbstständig arbeiten muss, aber es ist besser als die Unterrichtsstunden durch Wettkämpfe einfach zu verpassen und unvorbereitet Klausuren mitschreiben zu müssen. Von meinen Lehrern werde ich sehr gut unterstützt und ich glaube, dass es optimal geregelt ist.“

Kyriaki Linoxylaki als aktive Turnerin Foto: Kiel Kiki Team

Erfolg bestätigt Emmas harte Arbeit

Emmas harte Arbeit zahlte sich im letzten Jahr aus, als sie bei der Europameisterschaft in München die Bronzemedaille im Teamwettkampf und zur Krönung Gold am Schwebebalken gewinnen konnte. Auch wenn sie vorher schon kleinere Erfolgsmomente für sich genießen konnte, bestätigte dieser Moment: „Ey, du bist gut!“ Die Hamburgerin wurde für ihren EM-Gold-Titel als Schülerin des Jahres ausgezeichnet und erhält viel Anerkennung und Respekt von ihren Mitschülern, da diese wissen, wie schwer es ist, erfolgreich zu sein. Neben der Freude am Erlernen neuer Elemente geben ihr diese Momente neue Motivation weiterzumachen.

Kompromisse als Leistungssportler

Doch das Leben am Sportgymnasium hat nicht nur Glanzseiten. Der Alltag ist streng geregelt und durchgeplant. Als Turnerin hat die 19-Jährige oft Einzelunterricht und konnte deshalb nie an einer Klassenfahrt teilnehmen. „Das Abi kriegt man bei uns gar nicht mit“, sagt sie mit einem Hauch von Bedauern. Wäre sie keine Sportlerin, hätte sie Freude an einer normalen Schule. Doch für sportlichen Erfolg nimmt sie solche Opfer gerne in Kauf. Das schulische Leben beschreibt sie als „leistungsorientiert, familiär, zielstrebig“ und beschreibt dabei die intensive Arbeit und den Ehrgeiz wieder, die sowohl von den Sportlern als auch von den Lehrern und Trainern eingebracht werden. Auf die Frage, ob sie etwas an der Schule ändern würde, schüttelt sie den Kopf. Sie sei glücklich, wie die Dinge sind, und glaubt, dass es kaum eine bessere Unterstützung für ihre sportlichen Ziele geben könnte.

Fehlendes Interesse von außen

Was die Turnerin kritisiert, ist die ausbleibende Unterstützung von außen. Obwohl sie die politische Förderung des Sports zu schätzen weiß, wünscht sie sich eine breitere Aufmerksamkeit für ihre Sportart. „Dass wir als Randsportart weniger Aufmerksamkeit wie Fußball bekommen, ist normal, aber Events wie Die Finals zeigen, dass genug Einschaltquoten da sind – meist werden unsere Wettkämpfe jedoch gar nicht erst ausgestrahlt“, sagt sie. Inzwischen hat Emma die Sache selber in die Hand genommen. Auf Social-Media Kanälen bewirbt sie ihren Sport und möchte andere für das Turnen begeistern. Sie betont jedoch, dass Leistungssport mit Verletzungen, mentalen Schwierigkeiten und wenig Freizeit einhergeht – dessen muss man sich vorher bewusst sein. Emma blickt optimistisch in die Zukunft. Die bevorstehende WM-Qualifikation und der Weltcup in der Schweiz Anfang des nächsten Jahres sind nur Meilensteine auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2024.

70 Jahre Sportschulen Chemnitz

Während die Schulhallen mit Plakaten anlässlich der Feierlichkeit geschmückt sind und der Stolz der Verantwortlichen deutlich sichtbar ist, bleibt für die Schüler der Alltag weitgehend unverändert. Auch ich habe diesen Alltag sieben Jahre lang durchlebt. Als ehemalige Schülerin des Sportgymnasiums teile ich nicht nur Emmas Erfahrung, sondern auch eine tiefe Verbundenheit mit diesem Ort. Neben unvergesslichen Erinnerungen, Erfolgen und Verletzungen habe ich wichtige Lektionen fürs Leben mitnehmen können. Es ist erfüllend zu sehen, wie die Sportschulen in Chemnitz auch weiterhin junge Talente unterstützen und akademisch fördern. 70 Jahre Sportschulen Chemnitz – eine bemerkenswerte Reise voller Hingabe, Träume und Triumph. Möge die Zukunft genauso leuchtend sein wie die Vergangenheit, die wir heute feiern.

Text: Kyriaki Linoxylaki